Credo in Deum – Ich glaube an Gott.

Katechetische Predigten

zum Apostolischen Glaubensbekenntnis


Zu den einzelnen Katechesen

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Nr. 32                    

 

 

Einführung

 

„Wenn sie sehen, dass es Gott gefällt,
sollen sie das Wort Gottes verkünden,
damit alle an den allmächtigen Gott glauben,
den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist,
den Schöpfer von allem,
an den Sohn, den Erlöser und Retter,
dass sie sich taufen lassen und Christen werden,
denn wenn wer nicht wiedergeboren wird
aus Wasser und Heiligem Geist,
kann nicht in das Reicht Gottes eintreten.“

 

Franz von Assisi , Nicht-bullierte Regel , Kapitel 16,7

(in: Franziskus-Quellen , Kevelaer 2009, S. 82)

 

Anlässlich des „Jahres des Glaubens“, das durch Papst Benedikt XVI. für die Dauer vom 11. Oktober 2012 bis zum 24. November 2013 ausgerufen wurde, schien es mir passend, die folgenden Katechesen auf unserer Homepage zu veröffentlichen. Ich hatte sie ursprünglich als Predigten über das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ von Juli 2010 bis Oktober 2011 bei der Dienstag-Abendmesse („Medjugorje-Messe“) in der Franziskanerkirche Salzburg gehalten.

Die Predigtmanuskripte wurden für die hier vorliegende schriftliche Fassung nur nur geringfügig überarbeitet, so dass gelegentlich der gesprochene, homiletische Stil hindurchzuspüren ist. Auch Wiederholungen ließen sich nicht ganz vermeiden, wenn nicht der Zusammenhang der jeweiligen Katechese gestört werden sollte.

Unser Credo ist ein kostbarer Edelstein, der, je mehr er ins Licht der Sonne des Glaubens gehalten und darin gedreht wird, desto bunter in unzähligen Farben zu funkeln beginnt. Diese Katechesen, die wöchentlich aufeinander folgen sollen, wollen die Leserinnen und Leser unserer Homepage dazu anleiten, den Edelstein unseres Bekenntnisses selbst in die Hand zu nehmen und ihn im Licht ihres persönlichen und unseres gemeinsamen katholischen und christlichen Glaubens zu betrachten.

 

P. Johannes Schneider OFM

Salzburg, Erster Adventsonntag 2012

 

 

Credo

 

Symbolum Apostolicum

Apostolisches Glaubensbekenntnis

 

Credo in Deum
Patrem omnipotentem,
Creatorem cæli et terræ,

et in Iesum Christum,
Filium eius unicum,
Dominum nostrum,
qui conceptus est de Spiritu Sancto,
natus ex Maria Virgine,
passus sub Pontio Pilato,
crucifixus, mortuus et sepultus,
descendit ad inferos,
tertia die resurrexit a mortuis,
ascendit ad cælos,
sedet ad dexteram Dei
Patris omnipotentis,
inde venturus est
iudicare vivos et mortuos.

  Et in Spiritum Sanctum,
sanctam Ecclesiam catholicam,
sanctorum communionem,
remissionem peccatorum,
carnis resurrectionem,
vitam æternam.

Amen.

Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,

und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn,
unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige Katholische Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.

Amen.

 

Prolog: Credo – Ich glaube

 

Credo – „Ich glaube“ (1)

 

Das Glaubensbekenntnis gehört zu den „Grundgebeten“. Aber ist das Glaubensbekenntnis überhaupt ein Gebet? Wenn Jesus uns beten lehrt, sagt er: Du aber, wenn du betest, ... bete zu deinem Vater (Mt 6,6). Gebet ist eine Beziehung von Ich und Du, vom Menschen zu Gott, den er mit Du anreden darf. Das Glaubensbekenntnis enthält keine Anrede an Gott, kein Du an den Vater oder an Jesus oder an den Heiligen Geist. Das Glaubensbekenntnis ist kein Gebet. Auch wenn wir es ehrfürchtig und fromm wie ein Gebet aussprechen oder meditierend, gleichsam „betend“ betrachten können.

Das Glaubensbekenntnis ist, wie der Name sagt, ein Bekenntnis. Wir bekennen darin unseren Glauben. Im Lateinischen heißt es: professio fidei . Die professio ist ein öffentliches Bekenntnis. Es kann auch gegen Widerstand ausgesprochen werden. Ich bekenne damit Farbe. Der ältere griechische Name ist sýmbolon . Er leitet sich ab von syn-bállo , etwas zusammen-legen. Die ursprüngliche Bedeutung von sýmbolon ist „Erkennungszeichen“. In der griechischen Antike wurden z.B. ein Ring, eine Messerklinge oder ein Tontäfelchen auseinandergebrochen und den zwei Vertragspartnern gegeben. Darin konnte man erkennen, dass diese zwei durch einen Vertrag, einen Bund oder sonst ein Bande zusammengehören. Von daher erhielt sýmbolon die übertragene Bedeutung von Zeichen, Kennzeichen und im heutigen Sinne auch von „Symbol“.

Das älteste christliche Symbol ist bekanntliche der Fisch. Das ist aber bereits ein Glaubensbekenntnis. Im Griechischen heißt Fisch ichthýs . Die fünf Buchstaben bedeuten: i = Iesus , ch = Christós , th = theóu (Gottes), y = hyiós (Sohn), s = soter (Retter); also Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. Das Symbol des Fisches ist zugleich ein Zeichen, ein Symbol und ein inhaltliches Bekenntnis zu Christus, dem Sohn Gottes und Erlöser. Das Symbol des Fisches ist ein Glaubensbekenntnis, ein sýmbolon . Unser Glaubensbekenntnis ist zwar kein bildhaftes Symbol wie der Fisch, aber es ist im echten Sinne ein sýmbolon als Kennzeichen der Christen. Deshalb ist das Symbolum nicht Ausdruck meines subjektiven, persönlichen Glaubens oder meiner Glaubenserfahrung, sondern das gemeinsame und einheitliche Kennzeichen aller, die sich zu Christus als dem Sohn Gottes bekennen. Das Symbolum ist unser echter Ausweis als Gläubige, nicht der Taufschein. Allerdings wird bei der Taufe das Symbolum von den Taufpaten oder vom Täufling selbst, wenn er erwachsen ist, bekannt. Es ist also das eigentliche innere und äußere Zeichen der Taufe.

Meist sprechen wir hierzulande das sogenannte „kleine“ oder „Apostolische Glaubensbekenntis“, das symbolum apostolicum . Der hl. Ambrosius von Mailand erklärte dazu, dass das Apostolische Glaubensbekenntnis in kurzer Zusammenfassung genau die Lehre der zwölf Apostel wiedergebe. Damit verbunden entstand dann die Legende, die zwölf Artikel des Glaubensbekenntnisses gingen jeweils auf die zwölf Apostel selbst zurück. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist aber tatsächlich eines der ältesten Glaubensformeln der Kirche. Es gibt das Taufbekenntnis der Kirche von Rom wieder.

Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“. Im Unterschied zu den griechischen Glaubensbekenntnissen, die mit pistéuomen – „wir glauben“ beginnen, sind die lateinischen individuell formuliert: Credo – „Ich glaube“. Beides ist richtig und wichtig: das große Wir der Kirche, das den gemeinsamen Glauben teilt und kennt, und das persönliche Ich des einzelnen, der sich für das gemeinsame Wir des Glaubens entscheidet.

Credo in Deum ist mein persönliches und öffentliches Bekenntnis, dass ich an Gott glaube. Diess Credo in Deum teilen wir dem Inhalt nach mit allen Menschen, die an Gott glauben. Wir teilen es vor allem mit den Juden, von denen wir den Ein-Gott-Glauben empfangen haben. Und wir teilen es mit den Moslem, die ebenfalls aus dem biblischen Ein-Gott-Glauben hervorgegangen sind. Wir teilen es auch mit allen Menschen, die sich zu einem persönlichen Gott bekennen. Das Credo in Deum ist heute die erste und wichtigste Basis dessen, was wir den „interreligiösen Dialog nennen. Es verbindet alle Menschen, die persönlich an einen und persönlichen Gott glauben.

 

 

 

Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“ (2)

 

Was heißt: „Ich glaube?“ – Glaube ist ein Grundwort der Bibel, vielleicht das Grundwort nach Gott . Dennoch gibt es nur eine einzige Definition des Glaubens in der Heiligen Schrift, und zwar im Hebräerbrief: Glaube ist Feststehen in dem Erhofften, Aufweis von Dingen, die wir nicht sehen (Hebr 11,1). Das ist beinahe eine philosophische Definition, die zugleich ur-biblisch ist: Glaube ist Feststehen . Für Feststehen findet sich im Griechischen das Wort hypó-stasis , im Lateinischen übersetzt mit sub-stantia : das, was von unten her steht, das Darunter-stehende. Ich möchte das mit einem Bild illustrieren: Als Kinder gingen wir in einem bestimmten See baden, wo man überall stehen konnte, – fast überall. Man konnte nicht sehen, wo man stehen konnte und wo nicht, nur mit den Füßen fühlen. Entweder man stand auf dem Boden oder man stand nicht. Glaube ist Feststehen – hypóstasis / substantia . Glaube ist Feststehen auf einem festen Grund, der unter mir steht, den ich nicht sehe, aber ich stehe darauf. Sonst würde ich ja untergehen.

Als Petrus zu Jesus sagte: Herr, wenn du es bist, dann befiehl, das ich auf dem Wasser zu dir komme! , rief Jesus ihm zu: Komm! – Und Petrus ging auf Jesus zu, über das Wasser (Mt 14,28-29). Was trug ihn? Das Wasser, das Jesus fest gemacht hatte? Als Petrus das Wasser und den Wind sah, ging er unter. Auf dem sturmgepeitschen Wasser konnte Petrus weder stehen noch gehen. Was Petrus trug, solange er sich darauf verließ, war das Wort: Komm! Was ihn trug, war das Wort Jesu, zu dem Petrus gesagt hatte: Herr, wenn du es bist . - Das ist schon ein verborgenes Glaubensbekennntis: Domine, si tu es Kýrie, ei sý ei Herr, wenn Du bist ... ; als wollte er sagen: „Herr, wenn du existierst, dann ...“ Das ist der Versuch des Glaubens: Glaube ist Feststehen in dem Erhofften . Petrus steht fest, wenigstens für ein paar Schritte, auf der Tatsache, „dass Gott ist“, der zu ihm spricht, der sich ihm offenbart durch das Wort: Komm! Für ein paar Schritte glaubt Simon Petrus an den Herrn und sein Wort.

Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“. Das bedeutet: Ich mache wie Petrus den Schritt des Glaubens und sage: Herr, wenn du bist ... , und ich gehe auf Gott zu, mitten im Dunkel, mich auf sein Wort verlassend, das ich durch den Sturm zu mir fliegen höre: Komm!

Glaube ist nicht starr und still stehen, sondern gehen auf dem, worauf man feststeht. Dies wird ausgedrückt durch die Präposition in , wenn es heißt: Credo in Deum ; im Griechischen: eis theón . Wir übersetzen: „an Gott“. Das bekennen wir nur von Gott, vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist: Credo in Deum . Das in mit dem Akkusativ gibt eine Richtung an. Ich könnte auch sagen: Credo Deo – „ich glaube (dem) Gott“, so wie ich einem Menschen glaube, der die Wahrheit sagt. Ebenso könnte ich sagen: Credo Deum – „ich glaube (den) Gott“, nämlich, dass Gott existiert, dass Gott ist. Das ist auch richtig, aber ohne Bezug zu Gott. Wenn ich aber bekenne: Credo in Deum , dann gebe ich damit eine Richtung und eine Bewegung an. Dies ist eine existentielle Entscheidung. Ich steige aus dem Boot meiner selbstgemachten, vorläufigen Sicherheit aus und begebe mich auf das Wasser. Ich gehe auf den zu, zu dem ich sagen kann: Herr, wenn du bist, dann sprich .. , und der zu mir dann spricht: Komm! Und ich komme, indem ich mich auf mein Du bist und auf Sein Komm verlasse. Credo in Deum ist eine Bewegung auf Gott zu. Das ist existentieller Glaube.

Schließlich kann in Deum / eis theón noch bedeuten: „in Gott hinein“. Denn man kann nicht einfach auf Gott zugehen, ohne gleichzeitig in Gott hineinzugehen. Wenn ich also bekenne: Credo in Deum , dann sage ich: Ich gehe auf Gott zu und in Gott hinein, – wie in ein Geheimnis. Ich lasse mich auf Gott ein. Freilich ist das ein Risiko. Aber ohne mich ganz auf Gott einzulassen, kann ich nicht an Gott glauben, sondern ich werde nur von außen her auf das „Phänomen Gott“ starren und erhalte keinen Einlass. „Wo die Schulwissenschaft draußen bleibt, trat die Zuneigung des Liebenden ein“, schreibt Thomas von Celano über den hl. Franziskus: ubi magistralis scientia foris est, affectus amantis introibat (2 C 102,2: Franziskus-Quellen , 356; Fontes Francescani , Assisi 1995, 537).

Credo in Deum ist das Bekenntnis mit der Bitte um Einlass in das Mysterium Gottes. Jesus sagt: Glaubt an Gott und glaubt an mich , kurz darauf: Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin (Joh 14,1.11); und dann: Bleibt in mir (15,4). An Gott glauben bedeutet also, in das Geheimnis Gottes eintreten und im Geheimnis Gottes bleiben. Glauben ist Bleiben in Gott.

 

 

 

 

 

„Ich glaube an Gott, den Vater“ (3)

 

Unser Bekenntnis: Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“, verbindet uns mit dem größten Teil der Menschheit. Die meisten Menschen glauben an Gott; gewiss in verschiedenen Ausdrucksweisen und -formen und unter verschiedenen Namen, die sie Gott geben. Denn der Mensch ist von Natur aus ein religiöses Wesen, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist (Gen 1,26). Der hl. Paulus sagt bei seiner Rede auf dem Areopag zu den Athenern, wo er einen Altar gefunden hatte mit der Aufschrift: Einem unbekannten Gott : Diesen Gott verkünde er ihnen. Er lässt sich von allen Menschen ertasten und finden, denn keinem von uns ist er fern. In ihm nämlich leben wir, bewegen wir uns und sind wir (Apg 17,23.27-28).

Mit unserem Glaubensbekenntnis: Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“, verbinden wir uns mit solchen Menschen, zu denen der hl. Paulus gesprochen hat. Wir stellen uns auf die Areopage der Welt und finden Zustimmung bei allen Menschen guten Willens (vgl. Lk 2,14), die (irgendwie) an Gott glauben. Auch wenn der Altar ihrer Frömmigkeit einem unbekannten Gott (agnosto theo) geweiht ist. Credo in Deum ist die Basis dessen, was wir den „Dialog der Religionen“ nennen. Ausdrücklich verbindet uns dieses Bekenntnis mit den Religionen, die an Einen Gott glauben, wie das große Glaubensbekenntnis präzis formuliert: Credo in unum Deum – „Ich glaube an den einen Gott“. Dieses Bekenntnis teilen im Besonderen das Judentum und der Islam, die zusammen mit dem Christenum die drei monotheistischen Religionen bilden.

Unser christliches Glaubensbekenntnis geht aber einen Schritt weiter: Credo in Deum Patrem omnipotentem – „Ich glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen“. Die beiden Worte „Vater“ und „Allmächtiger“ sind keine Zusätze oder Attribute zu „Gott“. Im griechischen Credo ist „Allmächtiger“ sogar als Hauptwort formuliert: panto-krátor – „All-Herrscher“. Die beiden Titel „Vater“ und „Allmächtiger“ bezeichnen das Wesen Gottes, an den wir glauben. „Vater“ und „Allmächtiger“ sind keine Eigenschaften Gottes, mit denen Gott als „väterlich“ und „allmächtig“ bezeichnet würde. Vielmehr sind „Vater“ und „Allmächtiger“ Namen des Wesens Gottes. Sie sind die Namen Gottes, die wir im Credo bekennen.

Dazu kommt noch ein dritter Name, nämlich Creator – „Schöpfer“. Aber „Schöpfer“ ist bereits ausgesagt im Hinblick auf die Schöpfung, in Relation zu Himmel und Erde, die Gott geschaffen hat. Gott ist jedoch auch Gott ohne die Schöpfung. Er bedarf ihrer nicht, um Gott zu sein. Gott bedarf auch seiner Schöpfung nicht, um der „Vater“ und der „Allmächtige“ zu sein. Denn gerade der Vatername Gottes ist nicht in erster Linie im Hinblick auf uns oder andere Geschöpfe ausgesagt, sondern im Hinblick auf „seinen eingeborenen Sohn“ – Filium eius unicum . Darin liegt auch der christliche Unterschied zum Judentum, das im Alten Bund den Vater-Namen Gottes durchaus kennt. Dazu seien nur einige Beispiele angeführt:

In Buch Deuteronomium heißt es: Ist er nicht dein Vater, dein Schöpfer (Dtn 32,6). Das ist im Hinblick auf unser Geschöpfsein gesagt. Und im Zweiten Samuelbuch sagt Gott: Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein (2 Sam 7,14). Das ist die Adoptivsohnschaft Davids und seiner Nachkommen. Im Ganzen ist der Vater-Name im Alten Bund bild- und gleichnishaft verwendet: Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten , wie ein Psalm sagt (Ps 103,13). Das ist ein tiefes, reales und wunderbares Bild. Aber es ist ein Bild: Wie ein Vater .

Wenn wir nun als Christen bekennen: Credo in Deum Patrem – „Ich glaube an Gott, den Vater“, dann ist das keine Bild-Rede: Siehe, jetzt redest du in offener Rede und sprichst nicht mehr in Bild-Rede , sagten die Jünger zu Jesus, als er bekannte: Ich bin ausgegangen vom Vater ... und ich gehe hin zum Vater (Joh 16,28-29). Die Rede Jesu vom Vater ist kein Gottes-Bild, sondern die Wahrheit über Gott, sein wahres und eigentliches Wesen. Wenn wir also bekennen: Credo in Deum Patrem – „Ich glaube an Gott, den Vater“, dann bekennen wir Gott so, wie ihn uns Jesus in Wahrheit geoffenbart hat.

 

 

 

„Ich glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen“ (4)

 

Unser Bekenntnis zu Gott, unser Credo in Deum verzweigt sich in drei weitere Bekenntnisse: das Bekenntnis zu Gott, dem Vater, das Bekenntnis zu Gott, dem Sohn, und das Bekenntnis zu Gott, dem Heiligen Geist. Das Credo an den Vater ist das kürzeste. Das Credo an den Sohn das längste. Das Credo an den Heiligen Geist ist zugleicht das Bekenntnis zur Kirche.

Im Credo an den Vater bekennen wir zwei Wahrheiten oder Wesenheiten Gottes: „der Allmächtige und der Schöpfer“ – omnipotentem Creatorem . Beide Wahrheiten gehen aus der Vaterschaft Gottes hervor: die Allmacht und die Schöpferkraft. Sie sind wie die beiden Arme des Vaters, des barmherzigen Vaters, der den verlorenen Sohn in die Arme nimmt. Seine Allmacht vermag alles gutzumachen. Seine Schöpferkraft schafft alles neu.

„Ich glaube an Gott, den Vater, den allmächtigen“ – in Deum Patrem omnipotentem . Zuerst bekennen wir die Allmacht des Vaters, bevor wir seine Schöpferkraft bekennen. Denn die Schöpferkraft geht aus der Allmacht hervor, nicht umgekehrt. Dass der Vater Creator ist, der Schöpfer, schließt ein, dass er eine Schöpfung hervorbringt. Aber der Vater muss keine Schöpfung hervorbringen, um Vater zu sein und um allmächtig zu sein. Die Schöpfung ist eine vollkommen freie Tat Gottes. Gott ist gleich Vater und gleich allmächtig, auch wenn er keine Schöpfung gebildet hätte. Gott ist genug. Und das bedeutet: Er ist „all-mächtig“, omni-potens .

Im Griechischen steht dafür ein Hauptwort: panto-krátor , der „All-Herrscher“, der alles umfasst (krátei) , alles ergreift, alles erfüllt. Im Bekenntnis zum Pater omni-potens ist wesentlich das omni , das „All“, das pan . In diesem Sinn können wir sagen: Gott ist gewissermaßen Alles, bevor er etwas schafft, das nicht er selbst ist. Das ist der Wahrheitskern des sogenannten Pan-Theismus , der allerdings dann die Schöpfung in Gott und Gott in der Schöpfung so aufgehen lässt, dass keines von beiden mehr wirklich existiert. Aber das Gebet des hl. Franziskus Deus meus et omnia geht in diese Richtung: „Mein Gott und Alles“ ( Actus beati Francisci et sociorum eius , I 21; vgl. Franziskus-Quellen , S. 1347). Damit sagt Franziskus in seinen eigenen Worten: Credo in Deum Patrem omnipotentem – Ich glaube an Gott, der gewissermaßen und wirklich alles ist, alles umgreift, alles erfüllt. Dasselbe sagt der hl. Paulus von der Vollendung der Heilsgeschichte: dass Gott alles in allem sei – ut sit Deus omnia in omnibus (1 Kor 15,28).

Wir dürfen das omnipotens Deus nicht mit der „Omnipotenz“ eines weltlichen Herrschaftssystems vergleichen. Dort bedeutet es absolute Willkür, die ihren Willen mit aller Gewalt durchsetzt. Aber wer seinen Willen mit Gewalt durchsetzen muss, zeigt damit, das er keine wirkliche Macht hat, sondern nur die Gewalt, die etwas durchsetzt. Gott aber braucht keine Gewalt, um allmächtig zu sein. Gott ist allmächtig mit spielerischer Leichtigkeit. Die Allmacht Gottes gleicht mehr einem symphonischen Klang, der alles erfüllt. Und erst inner- halb dieses Klangvolumens kann etwas anders entstehen, das nicht Gott ist. In der rabbinischen Gotteslehre findet sich gelegentlich die Idee von der „Zurück-Nahme“ Gottes, durch die erst Raum für die Schöpfung wird. Gott ist so sehr alles, dass er selbst, um etwas zu schaffen, erst in sich Raum schafft, d.h. sich in seiner All-Macht dort zurück-nimmt, wo etwas anderes als Gott entstehen soll.

Das könnte vielleicht erst die Eigenständigkeit und Freiheit der Schöpfung erklären. Gott „lässt sie sein “, indem er sich selbst zurück-nimmt. Das Sich-Zurück-Nehmen Gottes, damit anderes sein kann, ist ein freier, wohlwollender Verzicht Gottes auf seine Allmacht. Gott, der alles in allem ist , nimmt sich zurück, damit in seinem Alles-Sein, in seiner All-Macht, seiner alles erfüllenden Gegenwart ein Raum entsteht, in dem vorerst nicht alles Gott selbst ist. Damit sind wir beim Urbeginn der Schöpfung. Zuvor aber müssen wir Gott als „allmächtigen Vater“ bekennen, wie auch die hl. Theresa von Avila sagt: Dios basta – „Gott genügt“. Oder um wieder mit dem hl. Franziskus zu sprechen: „ Tu es omnia – Du bist alles, unser Reichtum zur Genüge“ ( Lobpreis Gottes , V. 4: Franziskus-Quellen , 37).

 

 

 

„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“ (5)

 

Für das Bekenntnis zu „Gott, dem allmächtigen Vater“, gibt es ein ganz persönliches und existentielles Beispiel, und zwar bei Jesus selbst. In seinem Gebet am Ölberg, so wie es uns Markus überliefert, wendet sich Jesus an den Vater mit den Worten: Abba, Vater, alles ist dir möglich – omnia tibi possibilia sunt (Mk 14,36). In dieser Gebetsanrede sind die beiden Wahrheiten des Credo „Vater“ und „Allmächtiger“ enthalten. Aber Jesus sagt nicht „Vater“, sondern Abba, pater . Er stellt die kindliche Vertrauensanrede vor den ehrfürchtigen Vaternamen. Und er nennt den Abba-Vater nicht einfach allgemein „allmächtig“ (omni-potens) , sondern formuliert es persönlich: alles ist dir möglich – omnia tibi possibilia sunt .

Im Munde Jesu erhält unser Credo an „den Vater, den Allmächtigen“, diese ganz persönliche, existentielle und innerliche Qualität. Aus dem Pater wird Abba . Wir sagen dafür „Papa“, die kindliche Anrede an den eigenen Vater. Und aus dem Omni-potens , dem Panto-krator , wird: alles ist dir möglich . Die Allmacht des Vaters wird personalisiert und auf die eigenen Situation angewendet. Für Jesus in seiner Todesangst, die ihm Schweiß und Blut aus den Poren treibt (vgl. Lk 22,44), bedeutet die Abba-Vater -Anrede das restlose Vertrauen in die persönliche Liebe, das Erbarmen seines Vaters. Und das Bekenntnis zu seiner Allmacht: alles ist dir möglich , heißt: Mein liebender, barmherziger Vater kann mich aus meiner ausweglosen Lage retten. Alles ist dir möglich , selbst durch den Tod hindurch, der alle menschlichen Möglichkeiten abschneidet, – wenn es denn so sein muss.

Wenn wir in unserem Credo den „Vater, den Allmächtigen“, bekennen, dann machen wir damit nicht eine philosophisch-theologische Aussage über das „Vater“-Sein und die „Allmacht“ Gottes als solche. Durch unser Bekenntnis: Credo in Patrem Omnipotentem , begeben wir uns vielmehr hinein in die Beziehung Jesu zum Vater. Denn ohne Jesus können wir zu Gott nicht wirklich „Vater“ sagen. Und ohne die Ohnmacht Jesu am Ölberg angesichts seines eigenen Todes, in der er zum Vater schreit: alles ist dir möglich! , können wir die Allmacht Gottes nicht wirklich erfahren. Das Bekenntnis zu „Gott, dem allmächtigen Vater“, enstpringt einer zutiefst persönlichen Erfahrung.

Weil aber vor dem ganzem Bekenntnis steht: Credo in – „ich glaube an “, oder besser: „Ich glaube in hinein“, treten wir dadurch tiefer in das Geheimnis Gottes ein: als Kinder in das geöffnete Herz des Vaters, den auch wir, wie der hl. Paulus sagt, im Heiligen Geist Abba, Vater, nennen dürfen (Röm 8,15; Gal 4,6). Wir geben uns hinein als zerbrechliche Menschen in unserer ganzen Ohnmacht in die Hände des Vaters, dem alles möglich ist, und zwar nicht allgemein, sondern ganz bezogen auf mein je eigenes Leben, meine persönliche Ölberg-Situation. Oder es geht um die bedrängende Frage der Erlösung überhaupt: Wer kann da gerettet werden? , auf die Jesus mit demselben Bekenntnis antwortet, das er dann selbst für sich am Ölberg sprechen wird: Für Menschen ist das unmöglich; aber nicht bei Gott. Denn bei Gott ist alles möglich – omnia possibilia sunt apud Deum (Mk 10,26-27).

Schon in den ersten Worten des Credo ist unser ganzer Glaube enthalten. Es ist deshalb ratsam, dass wir unser Credo häufig sprechen, betrachten, beten, darüber nachdenken, ohne eine Silbe davon zu verlieren oder zu verändern. Wir können es auslegen, aber nicht ausbessern. Wir können es auf unser eigenes Leben anwenden, aber wir dürfen es nicht nach eigenem Gutdünken abändern. Denn gerade das Apostolische Credo ist älter als der Kanon des Neuen Testamentes, d.h. es wurde früher in seinem Wortlaut definiert als die Liste (= Kanon) der 27 Bücher des Neuen Testaments. Wenn wir deshalb die Schrift als „Heilige Schrift“ glauben, dann glauben wir sie immer schon mit dem Credo der Kirche. Das Credo ist der Schlüssel für das Verständnis der Hl. Schrift. Und die Hl. Schrift wiederum ist der Inhalt des Credo, den wir in jedem seiner Sätze finden.

 

 

„Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ (6)

 

Unser Glaube an Gott, das rechte Verständnis dieses Glaubens hängt wesentlich von dem ab, was wir unter „Schöpfer“ und dann unter „Schöpfung“ verstehen. Der Begriff „Schöpfer“ ist nicht ganz eindeutig, auch das lateinische creator nicht. Was heißt, jemand ist „kreativ“? Was verstehen wir unter „schöpferisch“? Auch ein Mode-Schöpfer ist kreativ. Wenn wir aber bekennen: Credo in Deum Creatorem – „Ich glaube an Gott, den Schöpfer“, dann bekennen wir etwas, was nur Gott betrifft. Die Schöpferkraft des Menschen, auch wenn es sich um die größten Schöpfungen des menschlichen Genies handelt, besteht, darin, dass sie die vorhandenen Elemente verbindet, vorhandene Formen neu kombiniert. Die Schöpferkraft des Menschen, auch seine Erfindungen, sind nur Kombinationen dessen, was schon da ist, Auffindungen, Entdeckungen von verborgenen Geheimnissen. Unser Bekenntnis: „Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“, sagt nicht, dass Gott Himmel und Erde entdeckt hat wie Kolumbus Amerika entdeckt hat. Das erste Buch der Bibel, das den bezeichnenden Titel Genesis , Entstehung, Werdung, trägt, beginnt mit den Worten: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde (Gen 1,1). Das hier verwendete hebräische Wort für schaffen, bara , ist in der Hl. Schrift nur für das Tun Gottes reserviert. Es wird von keinem Menschen oder einem anderen Geschöpf verwendet. Das Wort bara bezeichnet ausschließlich etwas, was Gott tut und was nur Gott tun kann. Wir finden deshalb keinen Vergleich in unserer Erfahrungswelt für das Schaffen Gottes.

Man könnte fast sagen: Erschaffen ist das Tun Gottes; genauer: das Tun Gottes, isofern es nicht ihn selbst betrifft, das Tun Gottes „nach außen“. Deshalb wird in der Hl. Schrift das Tun Gottes an der Welt und am Menschen immer mit seiner Schöpfermacht in Zusammenhang gebracht. Ob Gott rettet oder heilt oder vom Tode auferweckt, es ist immer das Tun Gottes, der Himmel und Erde, der alles erschaffen hat und immer noch weiter schafft, indem er es im Dasein erhält. Wenn es also so etwas wie einen „Ur-Knall“ gegeben hat, dann ist die Ur-Sache, der Ur-Sprung dieses Ur-Knalls darin zu suchen, dass Gott schuf.

Dieses Schaffen Gottes wird uns in der Hl. Schrift als ein Schaffen durch sein Wort gezeigt: Gott schuf Himmel und Erde ... und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward ... (Gen 1,1.3). Gott schafft durch sein Wort: Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist (Joh 1,3). Auch das ist ein unergründliches Geheimnis. Aber die Offenbarung, dass Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, alles durch sein Wort schafft, ist ein Hinweis, dass Gott schafft, indem er sich mitteilt. Denn das Wort ist Mitteilung. Und das Wort Gottes, durch das Gott schafft, ist Selbstmitteilung Gottes. Gott schafft, indem er sich selbst ausspricht in seiner Schöpfung.

Das bedeutet ein Zweifaches: erstens , dass die Schöpfung eine Art Selbstmitteilung Gottes in sich trägt, und dass deshalb, wie Paulus mit dem Buch des Weisheit sagt, Gott in seinen Werken der Schöpfung erkannt werden kann (vgl. Röm 1,19-20; Weish 13,1-9); zweitens , dass die Schöpfung den Charakter der Verständlichkeit in sich trägt, d.h. nicht einfach ein irrationales Chaos ist, sondern ein Kosmos, der eine durchwaltete Ordnung in sich trägt. Freilich finden wir diese Ordnung von Anfang an als gestört vor, durch ein ordnungs- und schöpfungswidriges Phänomen, das wir „Sünde“ nennen. Und selbst die heile Ordnung der Schöpfung, wenn sie da und dort durchzuschimmern scheint, ist ein unergründliches Geheimnis. Der Kosmos selbst ist ein Mysterium.

Dennoch: weil Gott durch sein Wort schafft, durch seinen Lógos , kann der Mensch die Schöpfung und sich selbst als Geschöpf verstehen lernen. Weil Gott durch sein Wort, seinen Lógos schafft, ist Denken, Forschen, Verstehen und Wissenschaft des Menschen erst überhaupt möglich. Die Erschaffung von Himmel und Erde durch das Wort, den Lógos , ist die Einladung Gottes, sein Werk zu ergründen und auf diesen Spuren ihn selbst, den Schöpfer, zu finden. Die Schöpfung als Sprache der Selbstmitteilung Gottes des Schöpfers hat der hl. Franziskus lesen gelernt und in seinem berühmten „Loblied der Kreaturen auf ihren Schöpfer“, den „Sonnengesang“ besungen:

 

Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Kreaturen,

besonders durch unseren Herrn, Bruder Sonne,

der Tag ist und uns durch sich erleuchtet.

Von Dir, Allerhöchster, trägt er ein Sinnbild –

De te, Altissimo, porta significatione ...

 

( Franziskus-Quellen , S. 40) .

 

Das ist das Stichwort des Schöpfungsglaubens: significatione . Die Schöpfung ist „signifikant“, sie trägt Zeichen-Charakter. Sie zeigt durch sich selbst den, der sie durch sein Wort erschaffen hat.

 

 

 

„Ich glaube an Gott,
den Schöpfer des Himmels und der Erde“ (7)

 

Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde (Gen 1,1). Das ist der erste Satz in der Bibel. Im Credo bekennen wir diesen Anfang der Heiligen Schrift: „Ich glaube an Gott ... den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Oder biblisch ausgedrückt: Ich glaube an Gott, der Himmel und Erde schuf. Aber was ist der Himmel und was ist die Erde? Und was bedeutet das Begriffpaar „Himmel und Erde“? Von den Worten her handelt es sich um Bilder. Die Erde ist das, was unten ist, worauf wir stehen, wie der hl. Franziskus im Sonnengesang singt: „unsere Schwester Mutter Erde, die uns trägt und ernährt ...“ ( Franziskus-Quellen , S. 41). Und der Himmel ist das, was über uns ist, zu dem wir hinaufschauen, an dem die Himmelsleuchten erscheinen: Sonne, Mond und Sterne: „am Himmel hast du sie geformt hell leuchtend und schön“, singt wieder Franziskus. Aber das sind Bilder, auch in der Hl. Schrift. Die Erde ist das, „was unten ist“, was wir begreifen. Der Himmel ist das, was uns überragt, was wir nicht erreichen, nicht be-greifen, betasten können.

Das Große Glaubensbekenntnis faltet dieses Bekenntnis weiter aus: factorem caeli et terrae, visbilium omnium et invisibilium – „Ich glaube an den Bildner von Himmel und Erde, von allem Sichtbarem und Unsichtbarem“. Die liturgische Übersetzung drückt es so aus: „der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt“. Das ist die eigentliche Bedeutung von „Himmel und Erde“: die sichtbare und die unsichtbare Welt. Mit dem Bild der Erschaffung von Himmel und Erde wird uns also nicht das antike Weltbild vermittelt. Dieses dient bestenfalls wiederum als Bild. Mit „Himmel“ ist eben nicht das Firmament gemeint, an dem die Sterne befestigt sind, wie es die Alten verstanden. Aber auch nicht die Luft, die Atmosphäre, der Äther oder der Weltraum, wie die Modernen meinen, wenn sie von Himmel sprechen.

Dieser Himmel, der sich über uns wölbt, der blau ist oder bewölkt, an dem die Sonne steht oder der Mond geht, gehört zur Welt, und zwar zur „sichtbaren Welt“. Zur Erde im weitesten, aber echten Sinn. Denn diesen Himmel, der inzwischen sich zum Weltraum eröffnet hat, hat sich der Mensch zu einem kleinen Teil „untertan gemacht“. Dieser Himmel, den wir das Weltall nennen, mit seinen unzähligen, unermesslichen Galaxien, gehört immer noch zur „sichtbaren Welt“, wenn sie auch nicht mit bloßem Auge sichtbar ist, sondern großer Geräte bedarf, wie eines Teleskops oder eines Satelliten, um die Sehschärfe des Menschen zu stärken.

„Ich glaube an Gott, den Schöpfer der Erde“, heißt: Ich glaube, dass die ganze sichtbare Welt, alles was sich dem Menschen sichtbar, begreifbar und materiell erfahrbar darbietet, von Gott geschaffen ist. Damit sind wir aber noch nicht beim „Himmel“, wie ihn die Hl. Schrift und das Credo verstehen. Denn dieser „Himmel“ bezeichnet „die unsichtbare Welt“. Auch das ist ein bildhafter Ausdruck. Denn elektromagnetische Strahlen sind auch unsichtbar, aber sie sind messbar. Sie sind Materie, wenn auch in Strahlungsform.

„Die unsichtbare Welt“ ist aber all das, was wir nicht mit unseren Sinnen erfahren und nicht mit technischen Geräten messen können. Mehr noch: es handelt sich um eine Wirklichkeit, zu der der Mensch von sich aus keinen Zugang hat, wenn ihm nicht von „drüben“, von dieser anderen Welt der Zugang eröffnet würde. Wir können sagen: „Die unsichtbare Welt“ ist die geistige Welt. Aber das ist zu wenig und es ist irreführend. Denn das „Geistige“ vermittelt uns den Eindruck, es sei zu wenig „wirklich“.

„Die unsichtbare Welt“ ist aber auch nicht Gott selbst, obwohl Jesus vom Vater im Himmel spricht. Die Verborgenheit und Unsichtbarkeit Gottes ist nicht gemeint, wenn es heißt: Gott schuf den Himmel . Dieser Himmel, „die unsichtbare Welt“, ist nämlich Geschöpf, genauso wie „die sichtbare Welt“ der Erde. Es handelt sich bei „Himmel und Erde“ um zwei Formen der Schöpfung, ja um zwei Schöpfungen Gottes, um zwei Welten: eine Welt, die wir von uns aus erfahren, „die sichtbare Welt“, die Erde, und eine andere Welt, die wir von uns aus nicht erfahren, wenn sie sich nicht selbst eröffnet, „die unsichtbare Welt“, der Himmel. Die sichtbare Welt nennen wir „Natur“, mit der sich die Naturwissenschaft beschäftigt. Die unsichtbare Welt nennen wir „Über-Natur“. Mit ihr kann sich die Naturwissenschaft naturgemäß nicht beschäftigen. Es ist aber vernünftiger, zwei oder mehrere Wirklichkeiten anzunehmen, als nur eine einzige, die sichtbare.

 

 

 

„Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ (8)

 

Das große Glaubensbekenntnis ergänzt dazu: „der alles geschaffen hat, die sichtbare und die unsichtbare Welt“. Was ist „die unsichtbare Welt“? Ist sie einfach alles, was für unsere Augen unsichtbar ist? In erster Linie ist damit augesagt, dass Gott mehr geschaffen hat, als wir mit unseren Sinnen, aber auch mit unserem Denken wahrnehmen können. Wenn wir bekennen: „Ich glaube an Gott ... den Schöpfer des Himmels“, der unsichtbaren Welt, geben wir zu, dass es eine Welt gibt, die außerhalb unseres natürlichen Erfahrungsraumes bleibt. Diese „andere“ Welt ist aber ebenso von Gott geschaffen wie die unsere, die wir sehen und wahrnehmen. Beide Welten, die sichtbare und die unsichtbare, stammen aus der einen Hand des Schöpfers. Sie sind durch das eine Wort Gottes geschaffen, durch das alles geschaffen ist. Es ist also durchaus möglich, dass diese beiden Schöpfungen, die sichtbare und die unsichtbare, in der Hand des Schöpfers die eine und einzige Schöpfung bilden. Es gibt diese Schöpfung sozusagen in zwei Ausführungen, in zwei Kategorien, die wir von der menschlichen Erfahrung her „die sichtbare und die unsichtbare Welt“ nennen. Dieses Bekenntnis zu unsichtbaren und sichtbaren Schöpfung hat das Vierte Laterankonzil im Jahre 1215 (also zur Lebenszeit des hl. Franziskus) näher ausgefaltet. Dort heißt es im ersten Kanon der Konzilsdefinitionen, der gleichzeitig ein eigenes Credo darstellt:

 

Wir glauben ... ein Prinzip des Alls, Schöpfer alles Unsichtbaren und Sichtbaren, Geistigen und Körperlichen. Er schuf in seiner allmächtigen Kraft von Beginn der Zeit an zugleich die zweifache Schöpfung aus dem Nichts, die geistige und die körperliche, nämlich die engelhafte und die welthafte, und dann die menschliche, die gleichsam gemeinsam aus Geist und Körper gebildet ist.

 

( Konzilien des Mittelalters vom 1. Laterankonzil (1123) bis zum 5. Laterankonzil (1512-17) , hg. v. J. Wohlmuth , Paderborn 2000, 230; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche 327).

 

Wichtig ist die Betonung, dass Gott, der Schöpfer, das „eine Prinzip“ (unum principium) einer gleichsam „zweifachen Schöpfung“ ist, die sichtbar und unsichtbar, geistig und materiell ist: angelicam et mundanam , „engelhaft“, die Welt der Engel, und „welthaft“, die Welt der Welt. Erstaunlich ist auch die Aussage, dass die menschliche Natur aus diesen beiden gebildet ist, aus der sichtbaren und aus der unsichtbaren Welt. Mit dem Bekenntnis, dass Gott Himmel und Erde geschaffen hat, bekennen wir uns zur unsichtbaren Welt der Engel, aber auch zur eigenen unsichtbaren Natur unserer Seele. Die Engel und die menschliche Seele gehören der unsichtbaren Schöpfung an. Und noch etwas zählt das Vierte Laterankonzil zu unsichtbaren Welt:

 

Der Teufel nämlich und die Dämonen sind von Gott der Natur nach als gut erschaffen worden (naturaliter creati sunt boni) , aber sie sind durch sich selbst böse geworden.

 

( Konzilien des Mittelalters , 230).

 

In keinem Glaubensbekenntnis steht, dass wir „an den Teufel glauben“, und auch nicht, dass wir „an die Engel glauben“. Aber wir glauben an den einen Gott, der Himmel und Erde, Geistiges und Körperliches, Engel und Menschen erschaffen hat. Und an den einen guten Gott und Vater, der alles als gut erschaffen hat, auch jene Wesen und Wirklichkeiten, die dann aus eigenem Wollen heraus zur Perversion, zur Umkehrung des Guten geworden sind, der Teufel und die Dämonen. Demnach hat Gott auch den Teufel und die bösen Geister erschaffen, aber nicht als Teufel und als böse, sondern natura creati sunt boni : „der Natur nach sind sie als gut erschafffen worden“. Damit stehen wird aber vor einem Geheimnis, dem dunklen Mysterium des Bösen – mysterium iniquitatis (2 Thess 2,7), das die bedrängende Frage aufwirft: Wie kann aus etwas, das Gott als gut erschafft, Böses werden?

Darauf gibt uns das Credo, ja die ganze Hl. Schrift keine erschöpfende Antwort. Der Blick von Schrift und Credo geht vielmehr nach vorn: Wie rettet, erlöst, heilt der Schöpfer von Himmel und Erde, Engel und Menschen, seine gefallene, verwundete Schöpfung? Der Großteil des Credos handelt von der Erlösung durch Jesus Christus. Indirekt, aber unübersehbar wird die Existenz und Wirksamkeit des Bösen ständig angesprochen: durch Christus, der gelitten hat und gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde, hinabgestiegen ist in die Unterwelt (ad inferos) , der einst richten und vergeben wird. Immer geht es um die Wiedergutmachung der Schöpfung. So wenig die Frage nach dem Woher des Bösen beantwortet wird, so sehr wird die Hoffnung auf Wiedergutmachtung der Schöpfung gestärkt: Er hat alles gut gemacht , sagen die Menschen staunend über das Wirken Jesu (Mk 7,37). Das ist ein Bekenntnis zur Neu-Schöpfung.

 

 

II. Ich glaube an Jesus Christus

„Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“ (9)

 

Damit beginnt der zweite Teil unseres dreiteiligen Glaubensbekenntnisses. Der zweite Teil ist als Mittelteil der weitaus längste Abschnitt im Credo. So können wir sagen, dass das Credo eigentlich ein ausgefaltetes Christus-Bekenntnis ist, das seine Wurzeln unmittelbar im Neuen Testament hat, etwa im Christus-Bekenntnis des Petrus: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16). Noch knapper und klarer ist das Bekenntnis des Thomas: Mein Herr und mein Gott (Joh 20,28). Auch das urchristliche Bekenntnis, das der hl. Paulus im Brief an die Philipper anführt, wäre hier zu nennen: Herr (ist) Jesus Christus zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,11).

All diese Christus-Bekenntnisse fließen ein in das Glaubensbekenntnis: „und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn“. Es mag ein wenig verwundern, dass dieses wichtige, ja wesentliche Bekenntnis, das den Hauptteil, die Mitte unseres Credo ausmacht, so unscheinbar eingeleitet wird: et in Jesum Christum – „und an Jesus Christus“. Ein einfaches „und“ eröffnet das Hauptschiff unseres kirchlichen Glaubens: „und an Jesus Christus“. Wäre es zu viel Mühe gewesen, das Credo hier zu wiederholen: et credo – „und ich glaube an Jesus Christus“? Es wird ja auch im dritten Teil wiederholt: Credo in Spiritum Sanctum – „Ich glaube an den Heiligen Geist“.

Der erste und einfachste Grund, warum das Credo hier nicht wiederholt wird, ist wohl der, dass das erste Credo noch nachklingt. Es ist ja keine zehn Worte entfernt. So genügt es rein grammatikalisch, dass es am Anfang ein Mal gesagt wird: Credo – „Ich glaube an Gott, den Vater ... und an Jesus Christus“. Das kann in einem Atemzug gesprochen werden. Aber damit zeigt sich eine zweite wichtige Bedeutung: Credo in Deum Patrem ... et in Jesum Christum , wird wirklich in einem Atemzug gesprochen. Und zwar deshalb, weil wir es auch in einem Atemzug glauben. In einem Atemzug bekennt der Apostel Thomas: Mein Herr und mein Gott . In ein- und demselben Atemzug sagt Jesus: Glaubt an Gott und glaubt an mich (Joh 14,1). Hier wiederholt Jesus allerdings das Wort glaubt . Er bezieht es in gleicher Weise auf Gott und auf sich selbst. Ein- und derselbe Glaubensankt bekennt Gott, den Vater, und seinen eingeborenen Sohn.

Wenn uns das Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, mit allen Menschen verbindet, die an Gott glauben, mit allen Religionen, die sich zu einem Gott bekennen, so trennt uns das zweite Bekenntnis von diesem allen: „und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Unser Glaubensbekenntnis stiftet zugleich Einheit und Trennung unter den Religionen. Das werfen uns die Moslem vor: „Ihr glaubt an drei Götter“. Das warfen schon die Juden Jesus vor: Wir steinigen dich, weil du, der du Mensch bist, dich zu Gott machst (Joh 10,33). Im Bekenntnis: Credo in Deum – „Ich glaube an Gott“, beginnt der Dialog mit den Religionen. Mit dem Bekenntnis: „und an seinen eingeborenen Sohn“, führt der kaum begonnene Dialog zur ersten großen, unüberwindlichen Differenz. Dennoch hört der Dialog mit den Religionen des Ein-Gott-Glaubens damit nicht auf. Denn wenn wir sagen: „Ich glaube an Gott ... und an seinen einzigen Sohn“, bekunden wir unseren Glauben an einen einzigen Gott. „Ich glaube an Gott“, ist das Grundbekenntnis; „den Vater, den Allmächtigen“, stellt die erste Differenzierung dar; „und an seinen eingeborenen Sohn“, die zweite Differenzierung; „Ich glaube an den Heiligen Geist“, bildet eine dritte Differenzierung. Über allen drei Differenzierungen steht das einende Grundbekenntnis: Credo in Deum, ... in unum Deum , wie das Große Glaubensbekenntnis sagt betont: „an den einen Gott“. Aus dem Bekenntnis zum einen Gott fließt wie aus einer Quelle das Bekenntnis hervor: „und an seinen einzigen Sohn“. Freilich, hätte dies der Sohn nicht selbst geoffenbart, wir könnten und dürften es nimmer glauben. Auf das Bekenntnis des Petrus hin: Du bist der Sohn des lebendigen Gottes , sagt Jesus: Nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart (Mt 16,17).

 

 

 

„Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“ (10)

 

Unser Glaube an Jesus Christus ist das unterscheidend Christliche. Von daher tragen wir den Namen „Christen“ (christianói) , ursprünglich eine wohl eher abfällige Bezeichung für jene, die Christus anhingen (vgl. Apg 11,26). Aber an Christus zu glauben ist mehr als nur einem Menschen namens Jesus Christus nachzulaufen. Wir bekennen: „und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Das „und“ schließt sich unmittelbar an das vorherige Bekenntnis an: Credo in Deum – „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, ... und an Jesus Christus“. Wir bringen Jesus Christus denselben Akt des Glaubens entgegen, den wir auch Gott, dem allmächtigen Vater entgegenbringen. Das ist für Juden und Muslime ein Ärgernis, für Heiden und Nichtgläubige eine Torheit (vgl. 1 Kor 1,23).

Mit unserem Bekenntnis „und an Jesus Christus“ ist dasselbe vom Glauben ausgesagt wie es im Hinblick auf Gott selbst ausgesagt ist: Credo in – „Ich glaube an“. Das bekenne wir sonst von niemandem. Wir können zwar sagen: „Ich glaube jemandem, weil er glaubwürdig ist“; und: „Ich glaube etwas, weil es wahr ist“. Aber credo in , „ich glaube an“ sagen wir nur und ausschließlich im Bezug auf Gott. Das ist eine theologische Sprachregelung, an die wir uns halten sollen. Credo in (im Griechischen: eis ) zeigt auch eine Richtung an auf jemanden hin als das letzte Ziel. „Ich glaube an Jesus Christus“ bedeutet: Ich gehe auf Jesus Christus zu als meinem obersten und letzten Ziel.

Wenn credo in Deum auch bedeutet: „Ich glaube in Gott hinein“, d.h. ein Sich-Einlassen auf das Geheimnis bezeichnet, so gilt das in derselben Weise auch für den Glauben an Christus: „Ich glaube an Christus“ – in Christum , ich lasse mich auf das Geheimnis Christi ein. Kurz gesagt: Alles, was das „ich glaube an Gott“ beinhaltet, gilt auch für das „ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Dies ist das unterscheidend Christliche an unserem Glauben, aber damit auch das Skandalöse, das Ärgernisserrgende, das Anstößige und der Grund des Kreuzes Christi. Christus wurde aus keinem anderen Grund gekreuzigt als aus dem, weil er gesagt hat: Ich und der Vater sind eins (Joh 10,30), weil er sich damit zu Gott gemacht hat (33). Aber Jesus hat sich nicht zu Gott gemacht. Er ist Gott. Und er hat sich zum Menschen gemacht.

Dass wir dieses glauben (können), ist Gnade. Als Simon Petrus sein Bekenntnis zu Christus ablegte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes , antwortete ihm Jesus: Nicht Fleich und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel (Mt 16,16-17). Damit gab Jesus zu verstehen: Der Glaube an ihn als „Sohn des lebendigen Gottes“ kommt vom lebendigen Gott selbst, vom Vater im Himmel. Nicht Fleisch und Blut, nicht eigene Fömmigkeit und der Verstand können den Menschen Jesus als Sohn Gottes bekennen. Aber auch nicht Fleisch und Blut Jesu selbst, d. h. seine menschliche Gestalt, lassen seine Gottheit erkennen und bekennen: Nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart (apekálypsen) . Es bedarf einer eigenen „Offenbarung“ (apokalýpsis / revelatio) durch den Vater im Himmel, um im Menschen Jesus, in seinem Fleich-und-Blut-Sein, den Sohn des lebendigen Gottes zu glauben. Damit Petrus bekennen kann: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes , bedarf es einer eigenen Offenbarung durch den Vater im Himmel.

Auch wir, damit wir wahrhaftig bekennen können: „Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“, brauchen dieselbe Offenbarung des Vates im Himmel, die Simon Petrus zuteil wurde. Diese Offenbarung ist eine zweifache: Sie ist zuerst eine geschichtliche Offenbarung, die in der Hl. Schrift und im Dogma der Kirche aufgezeichnet ist. Diese Offenbarung allein nützt uns aber nichts, wenn Gott nicht jedem von uns persönlich offenbart, dass die Offenbarung in der Hl. Schrift und in der Kirche tatsächlich wahr ist. Wenn ich mich also persönlich und frei zum Glauben der Hl. Schrift und zum Credo der Kirche bekennen kann, indem ich sage: Credo – „Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“, dann hat mir das der himmlische Vater „geoffenbart“ (apekálypsen) . Im Lateinischen heißt es revelavit : Gott hat mir das velum , den Schleier von den Augen des Herzens und des Verstandes weggezogen. Wenn ich an Jesus Christus glauben kann , dann bin ich Offenbarungsträger, dann hat der Vater mein Herz ent-schleiert ( re-velavit ), dann bin ich Mystiker. Ein Mystiker ist nicht jemand, der außergewöhnliche Erfahrungen, Visionen und Ekstasen hat, sondern jemand, dem Gott sein Mysterium geoffenbart hat, wie der hl. Paulus von sich sagt: Gott hat es gefallen, seinen Sohn in mir zu offenbaren (Gal 1,16).

 

 

„Ich glaube an Jesus“ (11)

 

Credo – „Ich glaube“. Alles dreht sich um diese Zusage, die wir Gott geben. Credo ist nicht nur ein Akt der intellektuellen Zustimmung zu einer Wahrheit des Glaubens. Credo – „Ich glaube“ ist die Annahme der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus: Allen, die ihn annahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben (Joh 1,12). Ihn „annehmen“ (re-cipere) und an ihn „glauben“ (credere) ist ein- und derselbe Akt der Anerkennung Gottes und der Annahme seiner Offenbarung.

Die an seinen Namen glauben : Dies tun wir durch unser Bekenntnis: „Ich glaube an Jesus Christus“. Das ist sein Name, sein Eigenname und sein Hoheitstitel. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das Glaubensbekenntnis uns zuerst seinen menschlichen Eigennamen aussprechen lässt: Credo – „Ich glaube an Gott ... und an Jesus“. Das ist ein ganz starkes, spannungsreiches Bekenntnis: „Ich glaube an Gott und an Jesus“. Damit setzen wir Gott und Jesus gleich, den allmächtigen Gott und Schöpfer und den Menschen Jesus. Das Bekenntnis „Ich glaube an Gott und an Jesus“ drückt die engste Verbindung zwischen Gott und dem Menschen Jesus aus, und damit zwischen Gott, unserem Erschaffer, und Jesus, unserem Erlöser, zwischen Gott, unserem Vater, und Jesus, unserem Bruder.

Der Name Gottes ist für den gläubigen Juden unaussprechbar. Gott hatte sich Mose mit dem geheimnisvoll einfachen Namen geoffenbart: Ich bin der Ich-Bin (Ex 3,14). Das sich daraus ergebende sogenannte „Tetragramm“, die vier hebräischen Buchstaben Jod, He, Waw und He, ist unaussprechlich: JHWH. Nur ein Mal im Jahr darf und muss der Hohepriester in das Allerheiligste des Tempels hineingehen und diesen Namen aussprechen.

Die Unaussprechlichkeit des Namens Gottes ist wichtig, um zu verstehen, was der Engel zu Maria sagt: Du sollst ihm den Namen Jesus geben (Lk 1,31). Dasselbe wird auch Josef aufgetragen: Du sollst ihm den Namen Jesus geben (Mt 1,21). Mit der Offenbarung des Namens Jesu, zuerst an Maria, dann an Josef, wird der unaussprechliche Name Gottes aussprechbar gemacht; aber nicht nur aussprechbar, sondern die Menschen, Maria und Josef, dürfen und sollen diesem Kind den Namen Jesus geben . Damit darf der Mensch, dürfen wir Gott selbst einen Namen geben. Gott, der in seinem Wesen, mit seinem wahren Namen ein unaussprechliches Mysterium bleibt, schenkt uns einen Namen, der wirklich sein Name und zugleich ein ganz menschlicher Name ist: Du sollst ihm den Namen Jesus geben .

Diesen Auftrag der Namensgebung erfüllen wir im Credo: „Ich glaube an Gott und an Jesus“. Der Name Jesus ist kein besonderer Name. Viele vor Jesus und viele nach ihm haben diesen Namen getragen. Der Diener und Nachfolger des Mose hieß Joshua, was in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der sogenannten Septuaginta (LXX), mit Iesóus wiedergegeben wird. Auch der Verfasser des Buches Sirach heißt Iesóus Ben Sira , und ein Mitarbeiter des Paulus hieß Jesus, genannt Justus (Kol 4,11). Warum hat Gott keinen anderen, einzigartigeren, einmaligeren Namen für seinen Sohn ausgesucht? Auch Maria und Josef tragen keine besonderen Namen. Allein in den Evangelien tragen mehrere Menschen diese einfachen Namen. Es gehört zum Geheimnis der Selbstoffenbarung Gottes, dass er seinen geheimnisvollen, unaussprechlichen Namen in einem ganz einfachen, gewöhnlichen, den Menschen vertrauten Namen verbirgt und darin zugleich ganz nahe kommt: Darum scheut er sich nicht, sie Brüder zu nennen , heißt es im Hebräerbrief (Hebr 2,11).

„Ich glaube an Gott und an Jesus“ bedeutet: Ich glaube an Gott, der in Jesus unser Bruder geworden ist. Der Vater, der im Verborgenen ist (Mt 6,6), verbirgt sein Antlitz und seinen geheimnisvollen Namen noch einmal im Verborgenen: in drei einfachen Silben: Je-ho-shua , oder nur in zwei: Je-sus . Allein im Namen Jesus tut sich schon das Geheimnis der Menschwerdung kund. Denn mit der Ankündigung der Menschwerdung Gottes wird auch dieser Name geoffenbart: Du sollst ihm den Namen Jesus geben .

Vom hl. Franziskus heißt es, er habe die Mutter Jesu deshalb so verehrt, „weil sie uns den Herrn der Majestät zum Bruder gemacht hat“ (2 C 198,1 in: Franziskus-Quellen , 406). Tatsächlich schreibt der Biograph über ihn: „ Immer war er mit Jesus beschäftigt, Jesus trug er stets im Herzen, Jesus im Munde, Jesus in den Ohren, Jesus in den Augen, Jesus in den Händen, Jesus in seinen übrigen Gliedern“ (1 C 115,5 in: Franziskus-Quellen , 270).

 

 

„Ich glaube an Jesus Christus“ (12)

 

  Wir bekennen uns im Credo zu Jesus Christus. Wir tun dies mit demselben Glauben, den wir Gott, dem Vater und Schöpfer, erweisen. Deshalb sagen wir: „Ich glaube an Gott ... und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Das Bezeichnende ist, dass wir zuerst den Namen „Jesus“ nennen. Dies ist ein geoffenbarter Name: Du sollst ihm den Namen Jesus geben , sagte der Engel zu Maria, dann auch zu Josef (Lk 1,31; Mt 1,21). Der Name Jesus ist zugleich ein ganz menschlicher Name. Mit dem Namen Jesus können wir in menschlicher Sprache den Menschensohn, den Sohn der Jungfrau Maria, benennen. Der zweite Teil seines Namens, „Christus“, ist eigentlich kein Name, obwohl er inzwischen zu einem Eigennamen geworden ist. Wir reden genauso von Jesus wie wir von Christus reden. „Christus“ ist eigentlich und wesentlich ein Titel; aber ein Titel, den wir mit unserem zeitlichen und kulturellen Abstand vom Judentum nur mehr schwer in seiner ganzen Aussagekraft und Tragweite verstehen können. Dennoch müssen wir es versuchen, wenn wir unseren Glauben an Jesus verstehen wollen.

Der Titel „Christus“ gehört unmittelbar zur Weihnachtsbotschaft. So wird den Hirten auf dem Feld durch den Engel verkündet: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, der ist Christus, der Herr (Lk 2,11). Der Name Jesus wird nicht genannt, nur diese drei Titel: Heiland (salvator) , Christus und Herr. Jesus ist der Einzige, dem dieser Titel wirklich und in Fülle gebührt. Der Hinweis auf die „Stadt Davids“ zeigt auf den Ursprung des Titels. „Christus“ hat mit David und seinem Königtum zu tun. Schon vor David wurde Saul als erster König über Israel erwählt. Als Zeichen der Besiegelung, dass diese Erwählung von Gott kommt, wurde er vom Propheten Samuel in einer heiligen Handlung mit Öl gesalbt (1 Sam 10,1). Saul wird damit zum „Gesalbten des Herrn“. Das ist nun sein Titel, auf hebräisch: mashiach (Messias), auf griechisch: christós , der Gesalbte.

Für unseren Kulturkreis ist es nicht mehr leicht, den Sinn dieser Salbung, ja überhaupt einre rituellen, religiösen Salbung zu verstehen. In der Geschichte des Volkes Israel verbindet sich jedoch mit der Königssalbung alles, was zum Bund Gottes mit seinem Volk gehört. Der gesalbte König steht stellvertretend für sein Volk. Er repräsentiert das Volks Gottes vor Gott. Er trägt auch die Verantwortung für dieses, für die Einhaltung des Bundes und der Bundesvorschriften, d.h. der Gebote, die Gott dem Mose gegeben hat. In einer gewissen Weise ist der gesalbte König auch Priester, obgleich sich Priestertum und Königtum nebeneinander entwickeln, ebenso das Prophetentum. König, Priester und Prophet sind drei verschiedene Ämter im Volk Gottes, die aber im Grund auf eine Einheit hin konvergieren. Der kommende Messias, der Gesalbte, der Christus, wird alle drei Ämter in seiner Person vereinen.

Mit der Königssalbung verbindet sich eine Verheißung von Seiten Gottes. Dem König David, der Gott ein Haus, einen Tempel bauen wollte, wird gesagt: Nicht du wirst dem Herrn ein Haus bauen, sondern der Herr wird dir ein Haus bauen (vgl. 1 Chr 17,4.10). Mit „Haus“ ist die Nachkommenschaft, das Königshaus gemeint. Der Nachfolger trägt die Verheißung: Ich will für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein (1 Chr 17,13). Schattenhaft gilt das für alle Könige, von David angefangen. Für den Sohn Davids gilt: Er wird mir Sohn sein . Gott selbst nimmt den Sohn Davids als Sohn an: Er wird zu mir sagen: Mein Vater bist du (Ps 89,27). Es ist aber offensichtlich, dass dieses innige Vater-Sohn-Verhältnis für die Könige Israels nur sehr bruchstückhaft zutrifft. Wäre nicht Gott selbst seiner Verheißung treu, dann wäre der Davidsbund, und damit auch die Messias-Verheißung, längst zerbrochen.

Im Stammbaum Jesu werden diese Könige und die ganze Geschlechterfolge aufgezählt: Isai war der Vater von König David, David der Vater von Salomo ... . Und da ist schon das Unheil, denn die Mutter Salomos ist die Frau des Urija (Mt 1,6), den David ermorden ließ (vgl. 2 Sam 12,15.18). Aber die Verheißung bleibt, bis es heißt: Jakob war des Vater Josefs, dem Mann Marias, aus der Jesus geboren wurde, der genannt wird der Christus (Mt 1,16). Wenn wir nun bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus“, den Gesalbten, dann glauben wir damit auch die Verheißungen, die Gott seinem Volk gegeben hat. Indem wir an Christus glauben, glauben wir an die Treue Gottes in seinem Bund.

 

„Ich glaube an Jesus, seinen eingeborenen Sohn“ (13)

 

Der Titel „Christus“ bedeutet „der Gesalbte“, auf hebräisch: Mashiach , Messias. Zum Christus-Bekenntnis gehört das Bekenntnis, dass er der „Sohn Gottes“ ist. So bekennt Simon Petrus auf die Frage, was die Jünger von Jesus halten: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16). So tief dieses Bekenntnis ist, es ist noch nicht ausschließlich christlich. Denn den Titel „Sohn Gottes“ oder sogar „Sohn des lebendigen Gottes“ erhält auch der jüdische Messias, der „Sohn Davids“ heißt. Vom Sohn Davids wird prophetisch gesagt: Ich will für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein (1 Chr 17,13). Der jüdische Messias, der „Christus“, wird von Gott „mein Sohn“ genannt. Er ist von Gott als Sohn auserwählt und angenommen. In analoger Weise heißt auch das ganze Volk Gottes „Sohn Gottes“, wie es beim Propheten Hosea heißt: Aus Ägypten rief ich meinen Sohn (Hos 11,1). Dieses Wort wird dann vom Evangelisten Matthäus auf Jesus bezogen (Mt 2,15).

Dennoch ist mit dem Bekenntnis: Du bist der Sohn des lebendigen Gottes , noch nicht das ausgesagt, was das Credo hier meint: „und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“, – et in Jesum Christum, filium eius unicum . Den maßgeblichen Unterschied macht hier das Wörtchen „eingeborener“, im Lateinischen einfach: unicus , „einziger“. Das Große Glaubensbekenntnis sagt deutlicher: unigenitum , „einzig-gezeugter“ oder „einzig-geborener“. Der Ausdruck stammt aus dem Johannes-Evangelium, wo es am Ende des Prologs heißt: der einzig-geborene Gott, der am Herzen des Vaters ruht: Er hat Kunde gebracht (Joh 1,18). Das griechische mono-genes theòs , einzig-geborene Gott, wird im Lateinischen wiedergegeben mit: unigenitus filius , der einzig-geborene Sohn. Das geht über eine Adoptivsohnschaft weit hinaus und ist demnach mehr als ein Messias-Titel. Der Zusatz „einziger“ (unicus) schließt aus, dass es noch einen weiteren Sohn oder gar mehrere gibt, die in gleicher Weise Sohn oder Kind sind wie dieser Einzige.

Wenn wir bekennen: Credo – „Ich glaube an Jesus Christus, seinen einzigen Sohn“, dann sagen wir damit: Es gibt niemanden, der in dieser Einzigartigkeit und Einmaligkeit „Sohn Gottes“ genannt werden kann außer Jesus Christus. Und wenn wir auch hier sagen müssen, wie bei allem Sprechen über Gott, dass die Begriffe „Sohn“ und „einzig-gezeugter Sohn“ Bilder sind, bildhafte Rede von diesem Geheimnis, dann heißt das nicht, dass Jesus etwa weniger Sohn Gottes ist, als ich z.B. Sohn meines leiblichen Vaters bin. „Bild“ heißt hier, dass wir das eigentliche Geheimnis Jesu mit dem Vater nicht angemessen ausdrücken können. Aber es ist in jedem Fall mehr – und nicht weniger – als das Bild-Wort vom Sohn-Sein und Gezeugt-Sein aussagen kann. Als der „einzige Sohn Gottes“ ist Jesus mehr und eigentlich Sohn und Kind Gottes des Vaters als je ein Mensch, Sohn, Tochter oder Kind seines Vaters oder seiner Mutter sein kann.

Deshalb vermeidet das Johannes-Evangelium zunächst den Begriff „Sohn“ und sagt nur: Wir haben seine Herrlichkeit gesehen: die Herrlichkeit des Einzig-Geborenen beim Vater (Joh 1,14); und dann: der einzig-geborene Gott, der im Schoß des Vaters ruht (18). Hier ist also gar nicht vom „Sohn Gottes“ die Rede, sondern vom „Einzig-Geborenen“ oder „Einzig-Gezeugten“, wie man mono-genes zweifach übersetzen kann. Um dieses „Bild“ des Gezeugten / Geborenen (es handelt sich ja wieder um ein Bild) zu verdeutlichen, sagt Johannes: der einzig-geborene Gott, der im Schoß des Vaters ruht . Wörtlich übersetzt heißt es: der Seiende auf den Schoß des Vaters hin . Johannes gibt dem Sohn Gottes den Titel der Seiende – ho on . So aber hatte sich Gott dem Mose im Dornbusch geoffenbart: Ich bin der Ich-Bin – ho on , der Seiende.

Dies bekennen wir, wenn wir sagen: „Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Ich glaube, dass er, Jesus, „der Seiende“ ist, der im Anfang war, der immer in Gott, im Vater war und ist, der ganz und gar Gott selbst ist; aber nicht Gott neben Gott als zweiter Gott, sondern wie Johannes sagt: der einzig-geborene Gott, der Seiende auf den Vater hin . Er ist Gott in seiner Beziehung zum Vater. Diese Beziehung nennen wir „Sohnschaft“. Sie ist wesentlich. Sie ist auch wesentlich dafür, dass der Vater überhaupt Vater ist: Gott ist Vater auf den Sohn hin. Und Jesus ist Sohn auf den Vater hin: filius eius unicus .

 

„Ich glaube an Jesus, unseren Herrn“ (14)

 

Warum bekennen wir Jesus Christus eigens noch als „unseren Herrn“? Ist das so zu verstehen, dass eben Jesus „unser Herr“ ist und wir demnach „seine Knechte“ sind? So redet Simon Petrus am Beginn seiner Bekehrung Jesus an: Herr, die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen , nachdem Jesus ihm aufgetragen hatte, die Netze nocheinmal auszuwerfen. Lukas verwendet dafür ein eigenes Wort: epístates (Lk 5,5) oder auch: despótes (2,29). Beides bedeutet „Herr“ im Sinne von Gebieter, Herrscher. Das slawische „Gospodi“ leitet sich von der griechischen Anrede déspota (von despótes ) her. Meinen wir also das, wenn wir bekennen: „Ich glaube an Jesus, unseren Herrn“ – Dominum nostrum ?

Es gibt im Neuen Testament noch ein anderes Wort für „Herr“, mit dem Jesus meist bezeichnet wird und das auch eine andere Bedeutung hat. Der Hymnus im Philipperbrief endet mit den Worten: Jede Zunge soll bekennen: Herr ist Jesus Christus, zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,11). Wessen Herr Jesus ist, wird hier nicht gesagt. Es heißt nicht „unser Herr“, sondern einfach: Herr ist Jesus Christus , im Griechischen: Kýrios Iesóus Christòs . Im Ersten Korintherbrief sagt der hl. Paulus: Niemand kann sagen: Herr (ist) Jesus – Kýrios Iesóus, außer im Heiligen Geist (1 Kor 12,3). Das Bekenntnis: Jesus ist Herr – Kýrios , ist gewichtig. Es kann nicht ausgesprochen werden, außer im Heiligen Geist . Aber warum ist es denn so schwer, zu sagen: Jesus ist Herr ?

Dazu müssen wir ins Alte Testament blicken. Als Mose vor dem brennenden Dornbusch Gott nach seinem Namen fragte, erhielt er zur Antwort: Ich bin der Ich-Bin ... das ist mein Name (Ex 3,14-15). Daraus bildet sich da sogenannte „Tetragramm“, die vier hebräischen Buchstaben, die lateinisch mit JHWH wiedergegeben werden. Die Juden sprechen diesen Namen nicht aus. Es wird zwar JHWH geschrieben, aber gelesen als Adonai , was einfach „Herr“ heißt. Die griechischen und lateinischen Bibelübersetzungen übernehmen das Tetragramm nicht, sondern schreiben von vornherein „Herr“, nämlich Kýrios bzw. Dominus , immer dann, wenn im Hebräischen der geoffenbarte Gottesname steht. Damit haben mit den alten Bibelübersetzungen auch die Christen die Unaussprechlichkeit des Gottesnames übernommen, bis in jüngere Zeit, als man begann, in modernen Bibelübersetzungen Jawhe zu schreiben und dies dann auch auszusprechen. Papst Benedikt XVI. hat jedoch wieder dazu angeleitet, besonders in der Liturgie zur Unaussprechlichkeit des geoffenbarten Gottesnamens zurückzukehren (vgl. Schreiben von Kardinal Arinze vom 29. Juni 2008).

Wenn wir im Credo unserern Glauben „an Jesus Christus, unseren Herrn“ bekennen, dann bekennen wir genau dies, was die Urkirche im Hymnus singt: Kyrios – Herr ist Jesus Christus zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,11). Es handelt sich hier also nicht um einen Hoheitstitel, der besagt, dass Jesus unser Herr und Gebieter ist; hier würde despótes oder epístates stehen (Lk 2,29; 5,5). Unser Bekenntnis geht vielmehr dahin, dass Jesus der unaussprechliche Gottesname gebührt: JHWH – Adonai – Kýrios – Dominus – Herr ist Jesus .

Am deutlichsten finden wir dieses Bekenntnis im Mund des Apostels Thomas, der zum Auferstandenen sagt: Dominus meus et Deus meus – Mein Herr und mein Gott (Joh 20,28). Damit bekennt er zweimal das Gleiche: Mein Herr heißt mein Gott . Wenn wir Jesus bekennen als „unseren Herrn“, dann sagen wir dasselbe wie der Apostel Thomas: „unser Herr und unser Gott!“

Thomas sagt aber: Mein Herr und mein Gott , weil sich ihm Gott in Jesus persönlich offenbart und weil es sein Jesus ist, der ihn zusammen mit den anderen Aposteln auch mein Freund genannt hat (vgl. Joh 15,15), weil sich dieser Jesus ihm als „sein Gott“ geoffenbart hat. Ähnlich bekennen wir Jesus als „unseren Herrn“, weil es der persönlichen Offenbarung von Seiten Gottes bedarf, dass jeder von uns Jesus als „Herrn“, nämlich als „Gott“ erkennt und anerkennt. Diese persönliche Offenbarung geschieht nach Paulus „im Heiligen Geist“, ohne den niemand sagen kann: Herr ist Jesus! (vgl. 1 Kor 12,3). Niemand kann aufrichtig Jesus als wahren Gott bekennen, wenn es ihm nicht persönlich und innerlich vom Heiligen Geist geoffenbart wird. Dies meint Jesus, wenn er von der Rolle des Heiligen Geistes sagt: Er wird mich verherrlichen (Joh 16,14).

 

 

 

„Empfangen durch den Heiligen Geist“ (15)

   

An das Bekenntnis zu „Jesus Christus, unseren Herrn,“ schließt sich an: „empfangen durch den Heiligen Geist“. Im lateinischen Credo steht hier ein Relativsatz: qui conceptus est de Spiritu Sancto – „der empfangen worden ist ...“ Das Relativpronomen qui bindet die Aussage noch enger an das Vorhergehende an: „ ... unseren Herrn, der empfangen worden ist“. Das Bekenntnis zur Jesus als „unserem Herrn“ ist das Bekenntnis zu Jesus als „dem Herrn “. Der Titel Herr aber ist die ehrfürchtige Umschreibung des unaussprechlichen Gottesnamens JHWH, der hebräisch mit Adonai , griechisch mit Kýrios und lateinisch mit Dominus wiedergegeben wird.

Das Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn , dem der Name Gottes selbst gebührt, findet sich ausdrücklich im Mund des Apostels Thomas: Mein Herr und mein Gott . Aber warum kann Thomas sagen: „ mein Herr“ und: „ mein Gott“? Und warum dürfen wir sagen: „ unser Herr“? Wer oder was hat Jesus, den Sohn Gottes, zu unserem Herrn gemacht? Dieses scheint der folgende Satz zu sagen: „Ich glaube ... an Jesus Christus, unseren Herrn, der empfangen worden ist vom Heiligen Geist“. Eben dadurch ist Jesus, der Herr , zu unserem Herrn geworden.

Was dieses Bekenntnis bedeutet, finden wir in der Verkündung an Josef, wie sie der Evangelist Matthäus überliefert: Bevor sie zusammenkamen, ward gefunden, das sie im Leibe trug vom Heiligen Geist – habens de Spiritu sancto (Mt 1,18). So wird das Griechische ek pneúmatos hagíou übersetzt: aus Heiligem Geist ; oder in der lateinischen Version: de – vom Heiligen Geist . Im Credo heißt es schriftgemäß: de Spiritu Sancto , in der deutschen Übersetzung: „durch den Heiligen Geist“. Vielleicht sind diese kleinen Wörtchen nicht so wichtig. Wichtig ist jedoch die Aussage: Christus ist „ unser Herr, der empfangen wurde vom Heiligen Geist ...“ Und nur deshalb ist er, der einzige Sohn Gottes, unser Herr. Denn das „empfangen“ bezieht sich auf „uns“, auf uns Menschen, auf die Menschheit selbst.

Dem hl. Josef wird dann im Traum durch den Engel gesagt: Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu nehmen, denn das in ihr Geborene / Gezeugte ist vom Heiligen Geist – de Spiritu Sancto est (Mt 1,20). Das „Empfangen“ bezieht sich auf Maria. Sie ist „ die Empfängnis“ schlechthin: die empfangende Menschheit vor Gott. Indem sie im Leibe trägt vom Heiligen Geist her , ist sie die empfangende Menschheit. Das „Empfangen“ selbst ist ihr Tun. Es ist höchste Aktivität. Das, was sie empfängt, ist vom Heiligen Geist her. Es kommt von Gott her, ist ganz Tun und höchste Aktivität Gottes.

Wenn der Engel dem Josef im Traum sagt: das in ihr Gezeugte ist vom Heiligen Geist her – de Spiritu Sancto est , dann will er damit nicht erklären, wie das geschieht. Auf die Frage: Wie soll das geschehen? , die schon Maria gestellt hatte (Lk 1,34), erhielt auch sie keine andere Antwort als Josef: Heiliger Geist wird über dich herabkommen – superveniet in te (35). Betont wird das „Herabkommen“ des Heiligen Geistes über Maria. Diese Herab-Bewegung steckt auch in der Formel: de Spiritu Sancto – vom Heiligen Geist her , der selbst herabkommt. Das ist beide Male keine Erklärung, sondern eine Wegweisung. Wenn das Geheimnis de Spiritu Sancto ist, vom Heiligen Geist herab-kommt und von ihm her-kommt, dann gilt es, in diese Richtung zu schauen: Auf wen du den Geist herab-kommen siehst, der ist es ..., wird zu Johannes dem Täufer gesagt (Joh 1,33).

Es also hier notwendig, eine Bewegung mitzuvollziehen. Der Mensch kann das Geheimnis der Menschwerdung Gottes nicht auf seine Ebene herabziehen und auf den Seziertisch seiner Theologie legen. Der bezeugende Mensch, und damit der Glaubende, muss diese Bewegung des Herabkommens des Heiligen Geistes mitvollziehen: Auf wen du den Geist herabkommen siehst ... Für Josef gilt es, dieses Herabkommen des Geistes mitzuvollziehen, wenn er hört: Das in ihr Gezeugte ist aus Heiligem Geist – de Spiritu Sancto , vom Heiligen Geist und mit ihm herabgekommen. Und deshalb ist dieses Heilige in ihr Gezeugte und dann aus ihr Geborene (vgl. Lk 1,35) „unser Herr“, weil er durch dieses Herabkommen zu uns gekommen ist. Er ist wirklich zu uns herabgekommen als Einer von uns: qui conceptus est – „der empfangen worden ist“ von Maria, die Eine von uns ist. Und sie werden ihm den Namen Immanu-El geben, das heißt übersetzt: Gott-mit-uns (Mt1,23). Dies bekennen wir im Credo mit dem Satz: „Jesus Christus, unser Herr, der empfangen worden ist“.

 

 

 

„Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“ (16)

 

Unser apostolisches Credo besteht aus drei ungleich langen Teilen. Der erste Teil nennt den Glauben an Gott, den Vater. Es ist der kürzeste Teil. Der zweite und längste Teil, der damit auch das Hauptstück des Credos ausmacht, bekennt Christus und sein Heilswerk. Der dritte, relativ kurze Teil hat den Heiligen Geist und sein Werk, die Kirche, zum Inhalt. Längst bevor wir aber in diesem dritten Teil den Heiligen Geist und die Kirche aussprechen, bekennen wir den Heiligen Geist und sein Werk am Beginn des zweiten Teils, wenn wir sagen: „empfangen durch den Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria“.

Es besteht ein tiefer und wesentlicher Zusammenhang zwischen diesem Bekenntnis zu Jesus Christus und jenem am Ende des Credos: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche ...“. Beide Male geht es um den Heiligen Geist und sein Werk: zuerst die Empfängnis Jesu Christi durch den Heiligen Geist in der Jungfrau Maria, dann das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und in der Gemeinschaft der Heiligen. Hier leuchtet ein geheimnisvoller Zusammenhang auf: zuerst der Heilige Geist und Maria; dann der Heilige Geist und die Kirche. Daraus erhellt auch die Verbindung zwischen Maria und der Kirche. Somit können wir sagen: Was der Heilige Geist in Maria tut, das tut derselbe Heilige Geist in analoger Weise in der Kirche.

Jetzt betrachten wir, was der Heilige Geist in Maria tut: „der empfangen worden ist vom Heiligen Geist, geboren aus Maria, der Jungfrau“. Es geht um Jesus Christus, den eingeborenen Sohn des Vaters, unseren Herrn. Aber dieser eingeborene Sohn Gottes ist nicht „Jesus Christus“ und damit auch nicht „unser Herr“ ohne das Wirken des Heiligen Geistes in Maria: „der empfangen ist vom Heiligen Geist und (damit) geboren aus der Jungfrau Maria“. Dies ist der einzige Sohn des Vaters, „aus dem Vater geboren vor aller Zeit“, wie das große Credo formuliert, der aber jetzt „für uns Menschen und zu unserem Heil vom Himmel herabgestiegen und Fleisch geworden ist durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria“.

Ohne das Werk des Heiligen Geistes, das wir die „Inkarnation“ nennen, ist der ewige Sohn des Vaters „vor aller Zeit“ nicht in unsere Zeit gekommen. Ohne dieses Werk des Heiligen Geistes aus der Jungfrau Maria ist das „Licht vom Licht, der wahre Gott vom wahren Gott“ nicht wahrer Mensch vom wahren Menschen geworden: „Aus dem Schoß der Jungfrau hat er das wirkliche Fleisch unserer Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit angenommen“, schreibt der hl. Franziskus staunend zum Geheimnis der Menschwerdung Gottes ( 2. Brief an die Gläubigen , 4: Franziskus-Quellen , 128) . Eben dies ist das Werk des Heiligen Geistes: das Werk der Menschwerdung Gottes in Maria. Ohne dieses Werk des Heiligen Geistes wäre der ewige Sohn Gottes nicht Mensch. Es würde ihm nicht der Name Jesus gegeben werden. Er würde nicht als „Christus“, als Messias, gesalbt werden können. Er wäre damit nicht „unser Herr“, der Immanu-El , der Gott-mit-uns . Er wäre einfach Gott, ewig und verborgen.

„Der empfangen ist vom Heiligen Geist“, das ist gleichsam einer seiner Namen. Jesus Christus, unser Herr, ist „der Empfangene vom Heiligen Geist“ – qui conceptus est . Ebenso heißt er auch „der Geborene aus Maria, der Jungfrau“ – natus ex Maria virgine . Das ist sein Name und sein Wesen. Jesus Christus ist der vom Heiligen Geist Empfangene und er ist der aus der Jungfrau Maria Geborene. Anders gibt es ihn nicht, nicht als wahren Menschen und nicht für uns Menschen. Denn so hat er sich uns gegeben und geschenkt: geschenkt und „empfangen vom Heiligen Geist“ und gegeben und „geboren aus der Jungfrau Maria“. Wenn Papst Johannes Paul II. so schön gesagt hat, dass „Gott im Heiligen Geist als Geschenk existiert“ (vgl. Enzyklika „Dominum et vivificantem“ [18. Mai 1986], Nr. 10), dann können wir sinngemäß weiterformulieren: Durch den Heiligen Geist in Maria existiert Gott für uns als Mensch, der sich uns als Mensch schenkt.

 

 

„Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“ (17)

 

Dieser zentrale Satz des Glaubensbekenntnisses wird uns „gewissermaßen erläutert“ im Verkündigungsbericht nach dem Evangelisten Lukas. „Gewissermaßen“ deshalb, weil es für dieses tiefste Geheimnis unseres Glaubens, die Menschwerdung Gottes, die Inkarnation des Wortes, keine Erklärung gibt. Das Geheimnis wird uns vielmehr in Form einer „heiligen Erzählung“ verkündet. Schon das Kommen des Erzengels Gabriel zur Jungfrau Maria ist vom Geheimnis umhüllt: Und er ging zu ihr hinein , heißt es ganz schlicht (Lk 1,28: et ingressus ad eam ). Das ist keine wunderbare Erscheinung wie eben vorher vor Zacharias, wo es heißt: Es erschien ihm aber ein Engel des Herrn stehend zur Rechten des Rauchopferaltars (11). Dies war eine schreckeneinflößende „Erscheinung“ während des feierlichen Tempelgottesdienstes. Der Engel offenbart sich dem Zacharias auch mit Namen und Titel: Ich bin Gabriel, der dasteht vor Gott (19).

Zu Maria tritt derselbe Engel einfach ein. Er kommt wie ein vetrauter Bekannter in ein Haus, das er kennt: Und bei ihr eintretend sprach er: Sei gegrüßt . Es wird dadurch auch nicht angeben, ob das Hereinkommen des Engels von außen oder von innen war. Dem hl. Josef, dem Bräutigam der Jungfrau, war der Engel im Traum erschienen (Mt 1,20). In welcher Weise der Engel des Herrn bei Maria eintrat, wird uns nicht gesagt. Allerdings erschrickt auch Maria, ähnlich wie Zacharias (Lk 1,12.29). Und als ihr gesagt wird: Siehe, du wirst in deinem Leib empfangen und einen Sohn gebären und ihm den Namen Jesus geben , da stellt Maria die für sie unermesslich wichtige Frage: Wie soll das geschehen, da ich doch keinen Mann erkenne? (31-31.34). Aber auch diese sogenannten „Marienfrage“ ist geheimnisvoll. Denn eben hatte der Evangelist gesagt: Sie war verlobt mit einem Mann namens Josef (27). Jetzt aber sagt die mit diesem Mann Verlobte: Ich erkenne keinen Mann . Deshalb stellt sie die Frage: Wie wird das sein , dass ich in meinem Leib ein Kind empfange? Das ist ein ganz natürliche Frage.

Man hat die „Marienfrage“ verschieden zu lösen versucht. Eine Tradition, die auf apokryphe Evangelien zurückgeht, lässt Maria schon als Kind eine im Tempel geweihte Jungfrau sein, die mit diesem Gelübde der Jungfräulichkeit dem Josef, einem schon alten Witwer, zur Obhut und damit auch in einer Art „Scheinehe“ anvertraut wird. Daher habe Maria an den Engel die Frage gerichtet: „ Wie wird das sein, da ich doch keinen Mann erkenne , weil ich Gott das Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt habe?“ Die Quellen dieser Erzählung wurden von der alten Kirche zu den Apokryphen gezählt, die viele erbauliche Geschichten, vielleicht manche echte Traditionen und leider auch schwerwiegende Irrlehren bezüglich der wahren Menschheit Jesu enthalten.

Eine zweite Erklärung wäre diese: Maria habe die Botschaft des Engels so verstanden, dass sie jetzt , in unmittelbar bevorstehender Zukunft, gleich auf die Botschaft des Engels hin empfangen würde, noch bevor sie von ihrem Verlobten Josef heimgeführt würde. In diese Richtung scheint die Verkündigungserzählung nach Matthäus zu weisen: Maria seine Mutter, war mit Josef verlobt. Bevor sie zusammenkamen, ward gefunden, dass sie schwanger war aus dem Heiligen Geist (Mt 1,18). Der Evangelist schließt dann die Erzählung mit den Worten: Und Josef nahm seine Frau zu sich und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte (25). Dass Josef durch die Tatsache, dass seine junge Verlobte schon sichtbar schwanger war, in eine große Krise gestürzt wurde, so dass er sie heimlich entlassen wollte , scheint mir sehr für die Glaubwürdigkeit des Berichts zu sprechen.

Josef glaubte eben nicht zuerst an ein Wunder. Es war etwas passiert, das er nicht begreifen konnte. Und ich denke, damit sollten auch wir uns zufrieden geben: Es handelt sich um ein Geschehen, das wir nicht begreifen können. Denn auch, wenn dem Josef gesagt wird: das in ihr werdende Kind ist aus Heiligem Geist (20), und auch Maria dasselbe gesagt wird: Heiliger Geist wird über dich herabkommen (Lk 1,35), so wird damit die Ratlosigkeit des Menschen angesichts des Wirkens Gottes nicht beseitigt. Der Evangelist Lukas fügt nämlich hinzu: und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten – obumbravit te . Was hier geschieht und wie es geschieht, ereignet sich in der Überschattung der Kraft Gottes, im Schatten seiner Hand, im Geheimnis seines schöpferischen Herzens. Gott, der im Anfang schuf, indem der Geist Gottes über den Wassern schwebte (vgl. Gen 1,1-2), schafft neu, indem sein Heiliger Geist über die Jungfrau kommt. Gott der schuf, indem er sprach, und es ward (vgl. Gen 1,3), schafft jetzt, indem er sein Wort sendet. Und dieses Wort wird Fleisch, ohne das Verständnis Marias, aber nicht ohne ihr Einverständnis, das sie gibt mit den Worten: Mir geschehe (Lk 1,38).

 

 

„Geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus“ (18)

 

Im Glaubensbekenntnis nennen wir zwei Namen von Menschen, nämlich „Maria“ und „Pontius Pilatus“. Das ist eine eigenartige Kombination: Maria und Pilatus. Es sind die einzigen zwei historischen Personen, die im Credo vorkommen, außer Jesus, der in der Mitte steht und mit dem diese beiden Personen in völlig verschiedener Weise zu tun haben. Maria steht am Anfang des Lebens Jesu, ja, sie ist sogar der menschliche Anfang des Menschen Jesus, weil sie seine Mutter ist: geboren aus der Jungfrau Maria .

Pilatus steht am Ende des irdischen Lebens Jesu, aber in völlig anderer Weise als Maria am Anfang steht. Pontius Pilatus ist verantwortlich für den gesetzlichen Tod Jesu, und dies auch, obwohl er sich dieser Verantwortung entziehen will, indem er öffentlich die Hände in Unschuld wäscht (vgl. Mt 27,24). Er wird in die Geschichte eingehen als derjenige, der Jesus kreuzigen ließ. Und so kommt, wie wir sprichwörtlich sagen, „Pontius ins Credo“, weil wir gläubig bekennen: „gelitten unter Pontius Pilatus“. Die Formulierung „unter“ – sub Pontio Pilato mildert ein wenig die Umstände, weil sie besagt, dass Jesus nicht unmittelbar durch Pilatus gelitten hat. Er ist nicht allein schuld. Aber es geschah „unter“ seiner Aufsicht und Vollmacht. Er ließ Jesus wirklich geißeln und kreuzigen (vgl. Mt 27,26).

Geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus . Es sind zwei völlig verschiedene Personen, die das irdische Leben Jesu eingrenzen. Dabei handelt es sich auch um eine Zeitangabe, denn die Geburt Jesu aus Maria geschah zu einer bestimmten geschichtlichen Stunde unter Kaiser Augustus, als Quirinius Statthalter von Judäa war (Lk 2,1-2). Auch der Tod Jesu geschah zu einer bestimmten weltgeschichtlichen Stunde, nämlich „unter Pontius Pilatus“, der vom Jahr 26 bis 36 römischer Statthalter in Judäa und damit Stellvertreter des Kaisers Tiberius war. Die Nennung des Statthalters Pontius Pilatus besagt also, dass Leiden und Tod Jesu zu einer weltgeschichtlichen Stunde stattfanden und weltgeschichtliche sowie politische Bedeutung haben.

Geburt und Leiden Jesu sind nicht überzeitlich, sondern konkrete Geschichte, sie füllen und er-füllen eine bestimmte Zeit, einen konkreten Zeitraum. Um die Bedeutung der beiden Aussagen: „geboren aus der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus“, zu ergründen, kann uns helfen, was Paulus an die Galater schreibt: Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren aus einer Frau, dem Gesetz unterstellt (Gal 4,4). Paulus sagt wörtlich: geworden aus Frau, geworden unter Gesetz – factum ex muliere, factum sub lege . Das heißt zunächst einfach: Jesus ist Mensch, der aus der Frau Geborene. Und Jesus ist Jude, der unter das Gesetz, die Tora, die Weisung Gottes für sein Volk Gestellte. Aber weil das Judentum historisch unter dem Gesetz der Römer stand, ist Jesus wie jeder Jude auch dem Gesetz der Römer unterstellt. Ja, Jesus befürwortet sogar, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist (vgl. Mt 22,21). Beide Gesetze, das jüdisch-religiöse und das römisch-staatliche, bilden das Todesurteil Jesu: Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben (Joh 19,7). Das ist das jüdische Gesetz. Und auch wenn Pilatus nach römischem Gesetz nichts findet, wodurch er Jesus verurteilen könnte (vgl. Lk 23,14), lässt er kraft römischer Vollmacht das Gesetzesurteil an Jesus vollstrecken. Jesus, „geboren aus der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus“, ist geboren aus einer Frau, dem Gesetz unterstellt .

Noch einem Gesetz ist Jesus durch seine Geburt aus einer Frau, der Jungfrau Maria, unterstellt: nämlich dem Ur-Gesetz, dem Gesetz des Menschseins selbst, dem Gesetz Adams: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen . Und zur Frau gesprochen: Unter Schmerzen wirst du gebären . Zu beiden aber: Zum Staub wirst du zurückkehren (vgl. Gen 3,16.19). Der Sohn Gottes, den Gott in der Fülle und Konkretheit der Zeit gesandt hat, der aus Maria geboren wurde, ist dem Gesetz des Leidens unterstellt. „Der Vater gibt die Gottheit, die Mutter die Menschheit; der Vater die Macht, die Mutter die Ohnmacht“, lautet ein Wort des hl. Augustinus, das in die Predigten des hl. Antonius von Padua eingegangen ist. Dieser folgert dann sinngemäß: Maria hat dem Sohn Gottes mit der Menschheit die Leidensfähigkeit geschenkt, aufgrund derer er sein Leben in Leiden und Tod vollendete ( Antonius , Sermones II, Padua 1979, 573f.). Insofern ist Maria von Anfang an „Mutter der Schmerzen“, nämlich jener Schmerzen des Menschseins, die Jesus als Menschenkind von der Krippe bis zum Kreuz erleiden wird. Dies wird im Credo zusammengefasst mit den Worten: geboren und gelitten, natus ex Maria, passus sub Pilato , „geboren aus der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus“.

 

 

„Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben“ (19)

 

Es gibt die sprichwörtliche Redenart: „Wie Pontius ins Credo kommen“ (vgl. Katechese Nr. 18). Diese Redensart verrät, dass man sich schwer tut, in einem geistlichen und heiligen Text den ganz weltlichen Namen des römischen Statthalters zu finden. Gleich nach dem Satz: „geboren aus der Jungrau Maria“, folgt: „gelitten unter Pontius Pilatus“. Was haben die beiden miteinander zu tun? Verdient dieser Heide Pilatus überhaupt, ins christliche Credo zu kommen? Auf diese Weise ist er zum berühmtesten Römer aller Zeiten geworden, berühmter als Cäsar oder Augustus. Zudem hat er eine der wichtigsten Fragen der Welt gestellt: Was ist Wahrheit? (Joh 18,38).

„Gelitten unter ...“ ist zunächst eine Zeitangabe. Pontius Pilatus war römischer Statthalter in Judäa vom Jahr 26 bis 36 nach Christi Geburt. „Gelitten unter Pontius Pilatus“ heißt zuerst: zur Zeit des Pilatus, also in den Jahren 26 bis 36. So gibt der Evangelist Lukas auch die Zeit der Geburt Jesu an: damals war Quirinius Statthalter von Syrien (Lk 2,2). Diese Zeitangaben bedeuten: Geburt, Leiden und Tod Jesu sind historische Fakten. Wir sind nämlich nicht ausgeklügelten Mythen gefolgt, als wir euch Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus bekannt gemacht haben, sondern wir waren Augenzeugen , schreibt der hl. Petrus in seinem 2. Brief (2 Petr 1,16). Die Heilstsat Gottes, die Offenbarung seiner Liebe und Erlösung ist in Jesus Christus, der „geboren (ist) aus der Jungfrau Maria, gelitten (hat) unter Pontius Pilatus“, historisches Faktum geworden.

Die Namen zweier so konträrer Personen wie Maria und Pilatus besagen dieses: Jesus ist kein Mythos. Jesus ist Geschichte. Und durch sein Leiden und Sterben sub Pontio Pilato ist er in die römische Geschichte und damit in die Weltgeschichte eingegangen, obschon die weltliche, vorab die römische Geschichtsschreibung kaum davon Notiz genommen hat. Man kann aber umgekehrt sagen: Dadurch, dass Jesus unter Pontius Pilatus gelitten hat und gekreuzigt wurde, ist die römische Geschichte in die Geschichte Jesu Christi eingegangen. Pilatus war Statthalter Roms in Judäa, das heißt, er vertrat den römischen Kaiser, er vertrat die damalige Superweltmacht des Römerreiches.

Als der Teufel Jesus in der Versuchung auf einem hohen Berg alle Reiche der Erde zeigte, versprach er ihm: All die Macht und die Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben (Lk 4,6), da wird er ihm wohl vor allem das römische Weltreich gezeigt haben. Aber Jesus sagte zum Satan: Weiche (Mt 4,10), und zu Pilatus: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre (Joh 19,11). Und doch hat Jesus „unter Pontius Pilatus“ gelitten, eben weil es diesem von oben gegeben war, Macht über Jesus zu haben. So ist die römische Weltmacht geheimnisvoll in das eingebunden, was von oben gegeben wurde, in den Heilsplan Gottes.

„Gekreuzigt unter Pontius Pilatus“ bedeutet: das Kreuz Jesu, der Gekreuzigte selbst ist durch die römische Weltmacht aufgerichtet. Aber Jesus sagt dazu: Wenn ich über die Erde erhöht sein werde, werde ich alle(s) an mich ziehen (Joh 12,32). Auf diese Weise beginnt das Kreuz, die Macht der Welt zu überwinden. Das Kreuz, furchtbares Symbol der Superweltmacht, die in der Offenbarung des Johannes Babylon heißt (vgl. Offb 17,5), diese Todesmaschine, die machina crucis , wird zum Zeichen des Friedens und des Heiles dessen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut (Kol 1,20). Aber vergessen wir nicht: „gekreuzigt unter Pontius Pilatus“ bedeutet: getötet durch die Todesmaschinerie der damaligen Superweltmacht. Und hier sprengt die Geschichte des Kreuzes Jesu die Geschichte, so dass wir für Pontius Pilatus und für die römische Weltmacht andere Namen und Reiche einsetzen können. Pilatus war bei weitem nicht der schlimmste von allen, er war ein schwache Figur. Aber es gehört zum Geheimnis des Bösen (vgl. 2 Thess 2,7), dass es im Grunde banal ist und nicht auf Stärke beruht, sondern auf Gewalt. Gewalt ist nicht Stärke. Stärke ist: „gelitten unter“. Er wurde in seiner Schwachheit gekreuzigt (2 Kor 13,4), das ist Stärke. Und diese Stärke des Kreuzes Jesu hat weltpolitisch Relevanz.

Wenn wir uns nun zu Jesus bekennen, der unter einem bestimmten politischen, wirtschaftlichen und militärischen System gelitten hat und darin starb, dann ist das eine Botschaft für uns, vor allem für jene, die um des Namens Jesu willen unter solchen Übermächten leiden und sterben müssen. „Gelitten unter Pontius Pilatus“ ist eine hochpolitische Aktualisierung unseres Glaubens. Der Glaube an Jesus, den Gekreuzigten, ist immer politisch, immer öffentlich; das Kreuz ist immer öffentlich.

 

 

„Gekreuzigt, gestorben und begraben“ (20)

 

Im Credo bekennen wir das Leben Jesu nur hinsichtlich seines Anfangs und seines Endes: empfangen und geboren, gelitten und gekreuzigt, gestorben und begraben. Was dazwischen liegt, sagen uns die vier Evangelien. Diese beschränken sich aber auch nur auf die frühe Kindheit Jesu und auf die letzten wenigen Jahre seines öffentlichen Wirkens. Die längste Zeit des Lebens Jesu bleibt verborgen. Das Schwergewicht des Bekenntnisses fällt auf die Passion: „gelitten ..., gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reiches Todes“. Warum das so ist, ist schwer zu verstehen. Wir können nur den Selbstaussagen Jesu entnehmen, dass er auf dieses Ende hin lebt. Schon bei seinem ersten öffentlichen Auftreten, bei einem fröhlichen, lebensbejahenden Ereignis, der Hochzeit zu Kana, wo Jesus auch eingeladen ist, spricht er von „seiner Stunde“, als ihn die Mutter bittet, einer ganz irdischen Not abzuhelfen, weil es keinen Wein mehr gibt: Frau, meine Stunde ist noch nicht gekommen (Joh 2,4).

Auch wenn diese Stunde noch nicht gekommen war, denkt Jesus an diese Stunde. Er lebt auf sie hin. Er nennt sie: meine Stunde . Aber je näher sie kommt, desto mehr hat Jesus vor ihr Angst: Mit einer Taufe muss ich getauft werden, und wie ängstigt es mich, bis sie vollendet ist (Lk 12,50). Und vor seinem letzten Paschafest ruft er aus: Jetzt ist meine Seele erschüttert; und was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber dazu bin ich ja in diese Stunde gekommen (Joh 12,27).

Was wir im Credo von Jesus bekennen: „gelitten ..., gekreuzigt, gestorben und begraben“, das nennt Jesus „seine Stunde“. Es sind ja tatsächlich nur ein paar Stunden, keine drei ganzen Tage. Und von der Kreuzigung bis zum Tod Jesu sind es nur drei Stunden. Das ist die Stunde Jesu. Das ganze Leben Jesu, oder wie der Hebräerbrief sagt: die Tage seines Fleisches (Hebr 5,7), drängen auf diese Stunde hin: dazu bin ich diese Stunde ich gekommen . In der Sprache des vierten Evangeliums ist vom „Gekommen-Sein“ die Rede: Er kam in die Welt ... Er kam in sein Eigentum (Joh 1,9.11). Wer von oben kommt ... Wer vom Himmel kommt (3,31). Das Kommen ist wie ein Zeltaufschlagen: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen ( eskenosen : 1,14). Dieses Kommen und Zeltaufschlagen ist etwas Vorläufiges: Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich Zeugnis ablege für die Wahrheit , sagt Jesus zu Pontius Pilatus, der ihn ans Kreuz schlagen wird (18,37). Diese „Stunde Jesu“ seines Leidens und Sterbens, ist die Stunde der Wahrheit. Auf die Frage des Pilatus: Was ist Wahrheit? (Joh 19,38), erhält er keine Antwort. Aber diese Wahrheit, die zu bezeugen Jesus in diese seine Stunde gekommen ist, besteht nicht in Worten. Sie ist Tat und Wahrheit (vgl. 1 Joh 3,18).

Die Stunde Jesu, die Stunde seiner Wahrheit, ist keine Schulstunde, in der Jesus lehrt, wie er es oft getan hat. Sie ist die Stunde, in der Jesus leidet und sein Leben hingibt. Die Stunde Jesu, die Stunde der Wahrheit, ist die Stunde seines Leidens: Da Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zum Vater hinübergehe ... da er die Seinen liebte ... bis ans Ende liebte (Joh 13,1). Die Stunde Jesu ist die Stunde seiner Liebe, und deshalb die Stunde der Wahrheit, weil sie die tiefeste Wahrheit, die es gibt, ausdrückt: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab (3,16). Und Jesus sagt selbst: Größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde (15,13). Das ist die Wahrheit, für die Jesus in die Welt gekommen ist, um sie zu bezeugen: die Wahrheit seiner Stunde, auf die hin er sein ganzes Leben lebt; die Stunde, in der er sein ganzes Lebens hingibt; die Stunde, die sich in diesen knappen drei Stunden abspielt, die wir hier im Credo bekennen: „gelitten, gekreuzigt, gestorben“.

Wir bekennen damit nicht diesen furchtbaren gewaltsamen Tod, dieses ungerechte, schreckliche Ende seines Lebens, obwohl es das menschlich gesehen war. Wir bekennen mit „gelitten, gekreuzigt, gestorben“ die Stunde Jesu, die Stunde seiner Wahrheit, die Stunde der Liebe, wie es keine größere mehr gibt: die Stunde, in der Jesus sein Leben hin-gibt und seinen Geist auf-gibt (vgl. 19,30); die Stunde, in der sich Jesus in Leib und Geist gibt, in der er sich uns als Mensch und Gott zur Gabe und zum Geschenk macht. Das Bekenntnis: „gelitten, gekreuzigt, gestorben“, ist ziemlich in der Mitte des Credo. Und es ist genau die Mitte unseres Glaubens, der Mittelpunkt und das Zentrum der Wahrheit, die Gott geoffenbart hat: So sehr hat Gott die Welt geliebt (3,16).

 

 

„Gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes“ (21)

 

Das sind sehr gehäufte Aussagen über das Ende des irdischen Lebens Jesu. Warum braucht es dazu so viele Ausdrücke? Genügt es nicht, zu sagen: „Er wurde gekreuzigt“? Im Bekenntnis zu Jesus Christus geht es vor allem um zwei Wahrheiten seiner Person: seine wahre Gottheit und seine wahre Menschheit. Als wahrer Gott, in dem das Leben ist (Joh 1,4), kann er nicht sterben. Als wahrer Mensch muss er sterben. Das ist der letzte Beweis seiner wahren Menschennatur, die er in der Gestalt des Fleisches der Sünde angenommen hat, wie Paulus sagt (Röm 8,3), dass er den Weg eines jeden Menschen geht: geboren aus einer Frau , wie jeder Mensch, und dadurch dem Gesetz unterstellt (Gal 4,4), nämlich auch und zuerst dem Gesetz des Menschseins, dem Gesetz der Natur. Auch wenn Jesus keines natürlichen Todes stirbt, sondern eines gewaltsamen, ist die Tatsache seines Todes Erweis seiner wahren Menschheit in Fleisch und Blut.

Das physische Zeichen des Todes Jesu, bevor es noch zu einem sakramentalen Zeichen wird, ist die Öffnung seiner Seite durch die Lanze des Soldaten: und sogleich floss Blut und Wasser heraus (Joh 19,34). Dies betont gerade der Evangelist Johannes, der auch in seinen Briefen schreibt: Wer leugnet, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist der Antichrist (vgl. 2 Joh 7). Er ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist, Jesus Christus (1 Joh 5,6), also nicht nur im Wasser des Geistes, sondern auch im Blut des Fleisches. Es gab und gibt nämlich die Irrlehre, die dies behauptet: Christus sei nur pneumatisch, das heißt, im Geist gekommen, habe einen Scheinleib angenommen und sei am Kreuz nur einen Scheintod gestorben.

Unser Bekenntnis: „gekreuzigt, gestorben und begraben“, widerspricht einer reinen Geistigkeit Christi. Dass Jesus wirklich einen menschlichen Tod gestorben ist, gehört auch zum Erlösungswerk: Er wurde in allem uns gleich (vgl. Hebr 2,17). Der Tod ist die unausweichlichste und bedrängendste Grenze des menschlichen Lebens. Der Erlöser muss, um uns wirklich zu erlösen, mit uns an diese äußerste Grenze gehen; und dann noch darüber hinaus: „gestorben und begraben ...“ Das Grab Jesu besiegelt die Wirklichkeit und – menschlich gesehen – die Endgültigkeit seines Todes. Der Eingang der Grabeshöhle ist eine Sackgasse. Der Weg des Menschen endet dort. Deshalb ist auch die Öffnung des Grabes am Ostermorgen zeichenhaft: Aus der Sackgasse des Grabes ist ein Weg geworden, aus der engen Grabesöffnung das Tor des Lebens.

Das Grab Jesu ist aber auch der Ort der Trauer: Maria von Magdala stand draußen vor dem Grabe und weinte (Joh 20,11). Die Trauer um den Toten ist wichtig, sie ist fundamental menschlich. Jesus selbst, der sagte: Ich bin die Auferstehung und das Leben , weint vor dem Grab seines Freundes Lazarus (Joh 11,25.35). In der Trauer um den Tod Jesu hat alle menschliche Trauer ihre Würde und ihren tiefsten Sinn erhalten. Wer nicht trauern kann oder will, vor allem um den Tod des geliebten Menschen, der kann bereits selbst tot sein, tot in der Seele, im Herzen. Auch wenn das Grab Jesu bereits überstrahlt wird vom Ostermorgen, ist es der Ort der Trauer. Es werden Tage kommen , sagt Jesus, da wird ihnen der Bräutigam entrissen sein; dann, an jenem Tag werden sie fasten (Mk 2,20), trauern und klagen. Das tun wir am Gründonnerstag, am Karfreitag und am Karsamstag. „Grün“ und „Kar“ heißt Klage und Trauer.

Aber schon vor dem Ostermorgen ist das Grab Jesu nicht das Ende seines Weges, wie wir weiter bekennen: „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Im ersten Petrusbrief lesen wir die geheimnisvollen Worte: So ist er auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren, und hat ihnen gepredigt (1 Petr 3,19). Petrus sagt genauer: In ihm , nämlich in dem Geist, in dem er lebendig gemacht wurde (18). Der descensus ad inferos , oder wie es früher hieß: „die Höllenfahrt Christi“, ist bereits der Anfang der Auferstehung. Dieses geheimnisvolle Bekenntnis ist sehr wichtig, weil es um die Erlösung und Befreiung all jener Menschen geht, die vor Christus gelebt haben. Auf alten Bildern wird gerne dargestellt, wie Christus die Pforten der Hölle, das heißt, des Todes zerbricht und alle Gefangenen herausführt, angefangen bei Adam und Eva.

Darin erfüllt sich das Wort Jesu: Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen (Joh 12,32). Die Erhöhung über die Erde am Kreuz bringt ihn zuerst unter die Erde, ad inferos , um dort wirklich alle an sich zu ziehen. Durch seinen eigenen wirklichen Tod ist also Christus in das Reich des Todes eingebrochen. Vom Vater auferweckt, beginnt er von dort alle an sich zu ziehen.

 

 

„Am dritten Tage auferstanden“ (22)

 

Unmittelbar an das Bekenntnis: „hinabgestiegen in das Reich des Todes“, schließt sich an: „am dritten Tage auferstanden von den Toten“. Zwischen dem Hinabsteigen in das Reich des Todes (ad inferos) und der Auferweckung von den Toten ist kein Übergang. Es klingt wie eine einzige große Bewegung, wie wenn jemand, der in tiefes Wasser untertaucht, im Untertauchen gleich wieder auftaucht. Und doch ist eine Art Übergang zwischen dem Hinabsteigen Christi und seiner Auferstehung angedeutet, nämlich durch die Angabe „am dritten Tage“ (tertia die) . Wie kommt dieser „dritte Tag“ ins Credo? Der „dritte Tag“ findet sich schon im Ur-Credo, in den apostolischen Bekenntnisformeln, wie sie z.B. der hl. Paulus überliefert: Ich habe euch zuerst überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist gestorben für unsere Sünden gemäß der Schrift. Und er wurde begraben, und er ist auferstanden am dritten Tag gemäß der Schrift (1 Kor 15,3-4).

Diese uralte Glaubensformel, die der hl. Paulus selbst schon übernimmt, geht dann in das Große Glaubensbekenntnis ein: „Er ist am dritten Tage auferstanden gemäß der Schrift“ (et resurrexit tertia die secundum scripturas) . Aber was bedeutet „gemäß der Schrift“? Steht irgendwo in der hl. Schrift, dass Christus genau am dritten Tag auferstehen wird? Manchmal wird dafür ein Text aus dem Propheten Hosea angeführt, wo es heißt: Lasst uns zum Herrn zurückkehren ... Er wird uns beleben nach zwei Tagen, am dritten Tag lässt er uns auferstehen, dass wir leben vor ihm (Hos 6,1-2). Aber hier ist nicht von Auferstehung der Toten die Rede. Dieser Text passt nicht richtig.

Im Johannes-Evangelium ist in einem anderen Zusammenhang vom dritten Tag die Rede: Und am dritten Tag fand eine Hochzeit statt in Kana in Galiäa (Joh 2,1). Der „dritte Tag“ ist im Judentum der dritte Wochentag, d.h. der Dienstag. Dies ist der jüdische Hochzeitstag, der auf den dritten Schöpfungstag zurückgeht, an dem Gott die Erde fruchtbar werden ließ (Gen 1,9.13). Könnte dies eine Hilfe sein, den dritten Tag gemäß der Schrift zu verstehen? Natürlich sagt uns das Evangelium, dass Jesus am ersten Tag der Woche, am Tag nach dem Sabbat auferstanden und den Frauen und Jüngern erschienen ist (vgl. Joh 20,1). Aber weil Johannes betont, dass Jesus in einem Garten begraben wurde (19,41) und in diesem Garten auch Maria von Magdala erschien, die ihn für den Gärtner hielt (20,15, könnten wir das so deuten: Der dritte Tag ist der dritte Tag der Schöpfung, an dem Gott die Erde fruchtbar werden ließ und sie in einen Garten verwandelte. In diesen Garten setzte er dann den Menschen, damit er ihn bebaue und bewache (Gen 2,15).

Jesus ist nun der neue Mensch, der neue Adam, der im Garten einer neuen Schöpfung erscheint. Der dritte Tage ist auch der Tag der Hochzeit, an dem Jesus zu Kana Wasser in besten Wein verwandelt und so das erste Zeichen wirkt, mit dem er seine Herrlichkeit offenbart (Joh 2,11). Der dritte Tag, an dem Jesus aufersteht, wäre dann die Einlösung dieses Vorbildes bei der Hochzeit zu Kana. Ihr werdet weinen und klagen, aber dann werdet ihr euch freuen , hatte Jesus vor seinem Tod den Jüngern gesagt (vgl. Joh 16,20). Jetzt, am dritten Tag, wandelt er durch sein Kommen zu den Jüngern ihre Tränen in Freude: Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen (20,20). Er wandelt das Wasser der Tränen in besten und bleibenden Wein und offenbart im Licht des Ostermorgens seine Herrlichkeit. Er offenbarte sich als der, der er wirklich ist, als den ihn dann Thomas bekennt: Mein Herr und mein Gott (28). Am dritten Tag, dem Tag der Auferstehung, offenbart Jesus seine Herrlichkeit als wahrer Gott und wahrer Mensch: als wahrer Mensch, weil er seine Wunden trägt, in die Thomas seine Hände legen darf; und als wahrer Gott, weil er diese seine Todeswunden als Lebender trägt, als der Lebendige, der Sohn des Lebendigen Gottes, der sagt: Ich war tot, doch jetzt bin ich der Lebendige – ho zon (Offb 1,18).

Dass aber Jesus „am dritten Tage auferstanden“ ist „gemäß der Schrift“, bezieht sich auch kein ausdrückliches Schriftzitat. Die Formel „gemäß der Schrift“ bezieht sich auf die hl. Schrift als Ganze, so dass aus ihr in symbolischer Zusammenschau „der dritte Tag“ auch eine symbolische Bedeutung bekommt. Der dritte Tag ist, geschichtlich gesehen, der dritte Tag nach dem Karfreitag, an dem Jesus das erste Mal den Frauen und Jüngern erschienen ist. Aber ob Jesus erst am dritten Tag auferstanden ist, wird damit nicht beantwortet. „Der dritte Tag ist kein ‚theologisches Datum‘...“, schreibt Papst Benedikt XVI. Er „bezieht sich auf die erste Begegnung mit dem auferstandenen Herrn“ ( Jesus von Nazareth , 2. Teil, Freiburg 2011, 283).

 

 

„Auferstanden von den Toten“ (23)

 

Warum sagen wir nicht: „auferstanden vom Tode“, sondern: „auferstanden von den Toten “ – resurrexit a mortuis ? Es stirbt doch jeder Mensch seinen ureigenen und einsamen Tod. Wenn dann jemand aufersteht, dann eben auch von diesem ureigenen Tod. So war es wohl bei jenen drei Menschen, die Jesus auferweckt hat: bei seinem Freund Lazarus, beim Jüngling von Nain und beim Töchterchen des Jairus. Sie alle hat Jesus aus ihrem je eigenen Tod ins Leben zurückgeholt. Die Auferweckungen dieser drei Menschen war ein Zurück-Holen in dieses irdische Leben. Sie wurden von ihrem eigenen Tod zurückgeholt, gleichsam re-animiert in ihr früheres sterbliches Leben hinein. Und alle drei mussten ein zweites Mal ihren je eigenen Tod sterben.

Von Jesus aber bekennen wird: Er ist „auferstanden von den Toten “. Vorausgeht, dass er „hinabgestiegen (ist) in das Reich des Todes“, zu den Toten, die nicht mehr zurückkamen. Dass Jesus „von den Toten“ (a mortuis) auferstanden ist, bedeutet: Er war im „Reich des Todes“. Im ersten Petrusbrief heißt es: Er ist zu den Geistern im Gefängnis gegangen und hat ihnen gepredigt (1 Petr 3,19). Und später noch einmal: „Er hat nämlich den Toten das Evangelium verkündet“ (4,6). Jesus war also „bei den Toten“, die hier Geister im Gefängnis heißen. Er starb nicht nur seinen ureigenen, einsamen und subjektiven Tod, sondern ist in die „Gemeinschaft der Toten“ eingetreten. Aber zugleich war Jesus nicht einfach ein Toter unter Toten, sondern er hat ihnen, wie Petrus sagt, gepredigt (ekeryxen) und hat sie evangelisiert (euangelísthe) . Jesus war also höchst aktiv. Die sogenannten „Grabesruhe“ des Herrn, von der wir sonst nichts wissen, war nach diesem Schriftzeugnis alles andere als untätige Ruhe und Totenstille.

Wenn wir nun bekennen: „auferstanden von den Toten“, dann heißt das: Jesus ist von einer geheimnisvollen Gemeinschaft hergekommen und von ihr weggegangen, ohne sie wirklich zu verlassen. Das Bekenntnis „auferstanden von den Toten“ hat seine Wurzel in einer urapostolischen Bekenntnis-Formel, die uns der hl. Paulus im ersten Korintherbrief überliefert: Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstlingsgabe der Entschlafenen (1 Kor 15,20). Hier ist noch viel stärker diese geheimnisvolle Gemeinschaft angesprochen, aus der heraus Jesus auferstanden ist als die Erstlingsgabe der Entschlafenen .

Das Wort, das Paulus hier verwendet, kommt aus der Sprache des Opferkults und bezeichnet die ersten Früchte des Feldes und die ersten Geburten des Viehs, die Gott als Erntedankopfer dargebracht werden. Christus ist die aparche – primitiae , das „Primizopfer“ der Entschlafenen, wie die Toten jetzt heißen. Die Toten, zu denen Christus durch seinen ureigenen Tod gegangen ist, sind also wie eine große Ernte. Und von dieser großen Ernte wird ein Erntedankopfer dargebracht: dieses ist Christus, der „auferstanden (ist) von den Toten“. Mit diesem Bild aber will der hl. Paulus sagen: Wenn es einen Ersten gibt, dann gibt es auch eine Reihenfolge . Wörtlich sagt er: So werden in Christus alle lebendig gemacht; ein jeder aber in seiner Reihenfolge: Erstlingsgabe ist Christus, darauf die, die auf seine Ankunft warten ... (1 Kor 15,22-23).

Unser Bekenntnis, dass Christus „von den Toten auferstanden ist“, heißt also nicht: Der am Kreuz gestorbene Jesus ist aus seinem eigenen Tod wieder in dieses Leben zurückgekehrt, wie ein klinisch Toter, der re-animiert wurde. Christus ist vielmehr durch seinen Tod in die Gemeinschaft der Toten eingetreten und hat sich mit ihnen verbunden. Und wenn er „aufersteht“, dann aus dieser Gemeinschaft der Toten heraus und mit ihr verbunden, als Erster einer unendlichen Reihe, als Erstlingsgabe einer riesigen Ernte. Es ist gleichsam wie bei einer Geburt: Zuerst kommt der Kopf, dann folgen die Glieder. Zuerst wird Christus aus dem dunklen Schoß des Todes geboren, dann, ihm gleich folgend, die Glieder: die Toten, die in Christus sind, werden als erstes auferstehen . Das sind vor allem die Heiligen, ihm unmittelbar folgend seine Mutter, die ihm das Leben des Leibes schenkte und der er mit seiner Auferstehung das Leben des verherrlichten Leibes schenkt. Wenn wir nun bekennen: „Christus ist auferstanden von den Toten“, dann bekennen wir gleichzeitig unsere Auferstehung mit ihm.

 

„Aufgefahren in den Himmel“ (24)

 

Wir sprechen von „Christi Himmelfahrt“ (ascenscio) und von „Mariä Aufnahme in den Himmel“ (assumptio) . Damit soll ein wesentlicher Unterschied bezeichnet werden: Jesus ist als Sohn Gottes selbst, gleichsam aus eigener Kraft in den Himmel aufgestiegen. Maria ist als reiner Mensch von Gott in den Himmel aufgenommen worden. Die hl. Schrift kennt für die Himmelfahrt Christi – wie auch für seine Auferstehung – beide Ausdruckweisen. Zu Maria Magdalena sagt Jesus: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater“ (Joh 20,17). Die Einfachheit der Ausdrucksweise: ich gehe hinauf (anabaíno / ascendo) , besagt, es kostet Jesus keine Mühe. Es handelt sich um eine ganz einfache, normale Bewegung, ähnlich jener, die Jesus vor seinem Tod angedeutet hatte mit den Worten: Ich gehe hin zum Vater , oder einfach: Ich gehe zum Vater (Joh 14,28; 16,17.28).

Die andere, passivische Ausdrucksweise findet sich vor allem bei Lukas. In der Beschreibung der großen Reise Jesu nach Jerusalem hinauf sagt der Evangelist: als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten (Lk 9,51). Für Lukas konzentriert sich der Weg Jesu hinauf nach Jerusalem , und dieser wieder in seiner Aufnahme . Der Evangelist begnügt sich zunächst mit dem Wort Aufnahme (análempsis / assumptio) , ohne vom Himmel zu sprechen. Damit ist nicht so sehr ein Ortswechsel ausgedrückt, sondern eher ein personales Geschehen: Jesus wird „hinaufgenommen“. Diese biblische Ausdrucksweise nennt man passivum divinum , das „göttliche Passiv“. Die Passiv-Form: „Er wurde hinaufgenommen“, besagt: „Er wurde von Gott aufgenommen“. So wie Jesus zu Magdalena sagt: Ich gehe hinauf zu meinem Vater ... zu meinem Gott , so heißt es hier: er wurde hinaufgenommen (Apg 1,2), und zwar vom Vater, von Gott.

In der Apostelgeschichte heißt es dann beschreibender: vor ihren Blicken wurde er hinaufgehoben und eine Wolke nahm ihn hinweg von ihren Augen, während sie wie gebannt hinstarrten, wie er in den Himmel hinging ... Und die Engel in weißen Gewändern sagen ihnen: Dieser Jesus, der aufgenommen wurde von euch weg in den Himmel hinein ... (Apg 1,9-11). Lukas verwendet vier verschiedene Ausdrücke für dieses Geschehen: Er wurde emporgehoben (elevatus est) ; eine Wolke nahm ihn hinweg (suscepit) ; er wurde aufgenommen (assumptus est) und sie sahen ihn in den in den Himmel hineingehen (euntem) . Damit deutet der Evangelist an, dass das eigentliche Geschehen nicht adäquat ausgedrückt werden kann. Es wird von allen Seiten umschrieben.

Eine wichtige Aussage ist hier doppelt ausgedrückt: er wurde, während sie es sahen, emporgehoben ; und: eine Wolke nahm ihn von ihren Augen weg . Damit wird eben nicht ein Ortswechsel im geographischen Sinn angedeutet, sondern dass Jesus ihren Blicken entzogen wird. Sie sehen ihn nicht mehr leibhaft vor ihren Augen, wie in den Tagen nach der Auferstehung, als er sich ihnen zu sehen gab. Die Wolke, die Jesus von ihren Blicken weg aufnimmt, ist ein reales Sinnbild für jene Wolke, die sich über das Bundeszelt und die Bundeslade legte, sie einhüllte und umhüllte, so dass die Israeliten das Heiligtum nicht mehr sehen konnten (vgl. Ex 33,9). Zugleich wissen sie: Gerade die das Sichtbare verhüllende Wolke ist das Zeichen der realen Gegenwart Gottes.

Auch auf dem Berg der Verklärung wurden die drei Jüngern von einer lichten Wolke überschattet (Mt 17,5), so dass sie Jesus nicht mehr sahen. Die Wolke ist das Zeichen der Gegenwart Gottes. Wenn Jesus von der Wolke aufgenommen und damit ihren Bliken entzogen wird, dann wird ihnen damit nicht seine Gegenwart entzogen. Im Gegenteil: Jesus geht zu seinem Vater und zu unserem Vater, der im Verborgenen ist (Mt 6,6). Er wird hineingenommen in die liebende Geborgenheit beim Vater. Gleichzeitig und eben deshalb kann Jesus ihnen und uns sagen: Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt (Mt 28,20). Deshalb freuen sich auch die Jünger bei der Himmelfahrt Jesu, der zwar ihren Blicken enzogen wurde, aber ihren Herzen nähergekommen ist (vgl. Lk 24,52).

 

 

„Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“ (25)

   

Der vorhergehende Satz unseres Bekenntnisses lautet: „aufgefahren in den Himmel – ascendit “. Das steht in der Vergangenheitsform: Christus ist einmal in den Himmel aufgefahren. Das ist bereits geschehen. Der nächste Satz des Credos aber heißt: „Er sitzt zu Rechten Gottes – sedet “. Das ist die Gegenwartsform. Unser Bekenntnis betrifft also die Gegenwart. Die Gegenwart drückt aus, dass es im Himmel, wohin Jesus aufgefahren ist, keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt. Im Himmel ist Gegenwart. Unsere Zeiten, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sind vor Gott und vor Jesus, der zur Rechten sitzt, Gegenwart. Das ist für uns schwer vorstellbar, weil wir in den chronologischen Ablauf der Zeit eingesperrt sind. Aber die Gegenwart Christi erfahren wir immer glaubend, wenn wir in der Eucharistie sein „Gedächtnis“ feiern. Es handelt sich um ein Real-Gedächtnis, in dem Leben, Tod und Auferstehung Christi im Geheimnis des Sakraments Gegenwart werden. Wir sprechen hier von „Real-Präsenz“, der wirklichen Gegenwart der Gottheit und Menschheit Christi sowohl räumlich als auch zeitlich.

Natürlich bleibt das für unser Vorstellungsvermögen ein großes Geheimnis. Aber gerade dieses Bekenntnis: „Er sitzt zur Rechten des Gottes“, bildet die Grundlage unseres Glaubens an die reale Gegenwart Christi unter uns, in seiner durch die vergängliche Zeit pilgernden Kirche. Freilich haben wir es auch hier mit bildhafter Sprache zu tun. Aber ohne Bilder, die zugleich immer unzulänglich sind, können wir nicht über die Geheimnisse Gottes sprechen. So bekennen wir von Jesus: „Er sitzt zur Rechten ...“ Dass Jesus „sitzt“ und nicht steht oder geht, drückt nicht seine Untätigkeit aus. Das Sitzen Christi heißt nicht, dass er nichts tut. Vom biblischen Bild her ist gemeint: Er thront zur Rechten Gottes. Er sitzt auf seinem Thron als König. Er ist der inthronisierte Messias, der Christus, der Gesalbte, zu dem der Vater im Psalm spricht: Setze dich zu meiner Rechten, und ich lege dir deine Feinde unter die Füße (Ps 110,1).

„Er sitzt zur Rechten“ heißt also: Gott, der allmächtige Vater, hat Christus die Herrschaft und das Königtum übergeben. Das „Zur-Rechten-Sitzen“ bedeutet: Er gibt ihm gleichen Anteil an seiner göttlichen Allmacht. Aber, so können wir fragen: Ist denn Christus nicht von Ewigkeit her Gott gleich, Gott von Gott, Licht vom Licht, eines Wesens mit dem Vater, wie wir im großen Credo bekennen? Das stimmt, was den ewigen Sohn Gottes betrifft. Inzwischen aber war: „Er ist Mensch geworden und wurde gekreuzigt“. Die neue Qualität dieser Herrschaft zur Rechten des Vater ist diese, dass der Sohn als Menschensohn , der Sohn Marias, das Wort, das Fleisch geworden ist, das gelitten hat und gekreuzigt wurde, jetzt zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzt. Dies verdeutlicht das Schlussgebet der Messe von Christi Himmelfahrt, wo es heißt: „Lenke unser Sinnen und Verlangen zum Himmel, wo Christus als Erster der Menschen bei dir ist, der mit dir lebt und herrscht ...“

„Wo Christus als Erster der Menschen bei dir ist ...“ Christus ist also nicht in seiner Gottheit bei Gott. Das war und ist er immer. Sondern durch seine Menschwerdung, durch Leiden, Tod und Auferstehung ist er „als Erster der Menschen“ bei Gott, und zwar „zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“. In Christus erfüllt sich die Ursehnsucht des Menschen, die ihn auch zur Ursünde verleitet hatte, nämlich, zu sein wie Gott (vgl. Gen 3,5). Nicht etwa die Vergöttlichung Christi ist das Geheimnis, das wir hier bekennen, sondern die Vergöttlichung des Menschen, als Erster in Christus. Wenn es aber heißt: „als Erster der Menschen“, dann wir damit auch gesagt: Es folgen noch zweite und dritte und viele. So schreibt der hl. Johannes: Wir wissen, wenn er erscheint, werden wir ihm ähnlich sein, denn wir werden ihn schauen, wie er ist (1 Joh 3,2).

Das Bekenntnis: „Er sitzt zu Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“, hat im Wesentlichen eine zweifache Botschaft an uns. Erstens : Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, ist gegenwärtig. Er ist im Vollbesitz seiner Gottheit und göttlichen Macht und teilt somit die Allmacht und Allgegenwart Gottes. Zweitens : In Christus ist der Erste der Menschen ganz und gar bei Gott. Das Haupt Christi ist in den Himmel hineingeboren. Und seine Glieder, die Glieder seines Leibes, die wir sein dürfen, folgen nach, zuallererst seine Mutter.

 

 

„Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“ (26)

 

„Von dort“. – Wo wird das geschehen? , fragen die Jünger den Herrn über das Eintreten der endzeitlichen Ereignisse (Lk 17,37). Jesus antwortet nur, dass das Kommen des Menschensohnes wie das Aufleuchten des Blitzes vom einen Ende der Erde bis zum anderen sein wird. Sein Kommen ist unübersehbar, aber es ist zugleich nicht lokalisierbar. Man kann nicht sagen: Hier oder dort kommt der Menschensohn, um die Erde und die Menschen zu richten (vgl. Lk 17,23-24). In unserem Credo heißt es schlicht: inde venturus est – „von dort wird er kommen“. Dieses „von dort“ bezieht sich auf den „Ort“, wo Christus sich befindet. Und dieser „Ort“ wird unmittelbar vorher im Credo genannt: „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“. Der Ort, an dem Jesus Christus seit seiner Auffahrt in den Himmel ist, heißt: „zur Rechten Gottes“, bei Gott, in Gott, im Schoß des Vaters (Joh 1,18). An diesem Ort Gottes ist Christus als wahrer Gott und Mensch, als „erster der Menschen bei Gott“ (vgl. Schlussgebet der Messe von Christi Himmelfahrt) .

Bei Gott, zur Rechten des Vaters heißt aber: dort, wo Gott ist, nämlich überall und all-gegenwärtig; und zugleich: beim Vater, der im Verborgenen ist (Mt 6,6). Eben dort ist Christus, beim Vater, der im Verborgenen ist, ganz und überall gegenwärtig und allem Sein zuinnerst, aber geheimnisvoll verborgen: inde venturus est – „von dort wird er kommen“, aus dieser Verborgenheit des Vaters, aus dem Geheimnis seiner Allgegenwart.

„Von dort wird er kommen“, heißt also nicht, dass er von weit her kommt und deshalb wohl auch noch lange nicht kommen wird, wie das Bild, das Jesus verwendet, nahelegen könnte: Der Menschensohn werde auf den Wolken des Himmels kommen (vgl. Mt 24,30). Dieses Bild besagt, ähnlich dem Bild vom aufleuchtenden Blitz, dass er unübersehbar, überall und deshalb auch unausweichlich kommen wird. „Von dort wird er kommen, zu richten ...“, aus der allgegenwärtigen Verborgenheit des Vaters. Deshalb ist sein Kommen nicht ferne Zukunft, sondern kann jeden Augenblick aus dem Geheimnis Gottes hervorbrechen und in unsere Gegenwart und Zeit einbrechen. Und dann haben Raum und Zeit ein Ende. Sie kommen zum Stillstand vor ihm, dem Kommenden. Dieses Zum-Stillstand-Kommen der Schöpfung vor dem kommenden Herrn ist das Gericht: Es liegt alles so da vor ihm, wie es in Wahrheit ist. Und das ist das Gericht.

„Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“, heißt: Christus tritt aus der Verborgenheit des Vaters heraus, und zwar als Der, der das wahre Licht eines jeden Menschen war, der in die Welt kommt (Joh 1,9), das heißt: als das lebendige Gewissen eines jeden Menschen, als das Licht, in dem der Mensch in seinem Herzen Gut und Bös erkennt; das Licht, in der er auch Gott suchen und durch die Offenbarung finden kann. Wenn Christus aus der Verborgenheit des Vaters kommt, wird er sich allen Geschöpfen als dieses wahre Licht offenbaren, das bereits in ihnen war , so dass es keine Entschuldigung gibt und keine Ausrede.

In diesem Gericht „der Lebenden und der Toten“, die dann nicht mehr tot sind, denn vor Gott sind alle lebendig (Lk 20,38), gibt es für keinen eine Entschuldigung. Aber es gibt für jeden eine Vergebung, für jeden, der die Vergebung annehmen will. Denn das gehört zum wahren Licht, das bei diesem Gericht aufleuchtet: dass Christus, der die Wahrheit ist, auch die Wahrheit des Menschen ist und dass er deshalb den Menschen ganz und gar und zutiefst kennt; eben weil er Mensch geworden ist, alle unsere Schwächen angenommen hat, der in allem versucht worden ist wie wir (Hebr 4,15) und der weiß, was im Menschen ist (Joh 2,25). Was von Gott gesagt wird, gilt auch von Jesus: Er ist größer als unser Herz und er weiß alles (1 Joh 3,20). Dies bekennt der schuldig gewordene Simon Petrus vor ihm: Herr, du weißt alles: du weißt (auch), dass ich dich liebe (Joh 21,17).

Das ist die große Zuversicht, die wir bei seinem Kommen als Richter der Lebenden und der Toten haben dürfen. Deshalb bedarf es keiner „Ent-Schuldigung“, weil unser Innerstes und Verborgenstes vor seiner Wahrheit offen da liegt. Seine Wahrheit weiß aber alles, auch dass wir ihn lieben; und auch, wenn eine(r) ihn geliebt hat, ohne es zu wissen, wie jene Sündern zu seinen Füßen, über die Jesus das milde Gericht hält: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) viel Liebe erwiesen hat (Lk 7,47).

 

 

 

III. Ich glaube an den Heiligen Geist

 

„Ich glaube an den Heiligen Geist,

die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen“ (27)

 

 

Der dritte Hauptteil des Apostolischen Glaubensbekenntnisses beginnt mit den Worten: „Ich glaube an den Heiligen Geist“. Die Formel „Ich glaube“ steht nur in der deutschen Übersetzung des Credos. Im Lateinischen heißt es einfach: et in Spiritum Sanctum . Das Credo – „Ich glaube“ steht am Anfang und bezieht sich auf das Ganze, im besonderen auf die drei göttlichen Personen, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Credo in – „Ich glaube an“ gilt ausschließlich für Gott, Vater, Sohn und Geist.

„Ich glaube an den Heiligen Geist“. Die folgenden Glieder des Bekenntnisses: „die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden“ hängen vom ersten Bekenntis ab: „Ich glaube an den Heiligen Geist“. Dann folgen drei Wirkungen oder Werke des Heiligen Geistes: Kirche (ecclesia) , Gemeinschaft (communio) , Vergebung (remissio) . Sie sind das Werk des Heiligen Geistes. So wie die Schöpfung das Werk des Vaters ist, die Erlösung das Werk des Sohnes, so sind Kirche, Gemeinschaft und Vergebung das Werk des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund sagen wir nicht: „Ich glaube an die heilige Kirche“, sondern: „ich glaube die heilige Kirche“, und zwar als Werk und Wirkung des Heiligen Geistes, an den ich glaube.

Das Wort „heilig“ kommt hier drei Mal vor: Heiliger Geist, heilige Kirche, Gemeinschaft der Heiligen . Alle drei hängen zusammen. Der Geist heißt „Heiliger Geist“, weil er der Geist Gottes ist, der allein heilig ist und heilig macht. Heilig heißt: zu Gott gehörig. Dieser Heilige, aus Gott hervorgehende Geist wirkt und schafft „die heilige katholische Kirche“. Der Ausdruck „heilig“ ist hier kein moralischer Begriff, sondern Ausdruck der Zugehörigkeit. Wenn Gott sich aus allen Völkern der Erde ein „heiliges Volk“ auserwählt, dann nicht, weil die einzelnen Menschen darin oder gar das ganze Volk heilig und gut wären, sondern weil Gott sich dieses Volk als Erbe und Eigentum ausgewählt hat. Das ist auch die Bedeutung von „Kirche“ im Griechischen: ek-klesía , „die Herausgerufene“. Unser deutsches Wort „Kirche“ kommt wiederum vom griechischen kyriake , die zum Kyrios , dem Herrn Gehörige.

In der Apostelgeschichte hören wir die Apostel sagen: Wir und der Heilige Geist (Apg 5,32), oder in umgekehrter Ordnung: Der Heilige Geist und wir (15,28). Das ist die wesentliche Definition von Kirche. Es klingt vielleicht anmaßend, wenn die schwachen Apostel sagen: Wir und der Heilige Geist . Aber sie meinen das Gegenteil und sagen damit: Der Heilige Geist, den uns Jesus als Beistand und Tröster geschenkt hat, nimmt sich unserer Schwachheit an (Röm 8,26). Er führt uns zusammen, sonst wären wir längst auseinander. Er führt uns zu Jesus, sonst hätten wir ihn längst verloren. Er führt das Werk Jesu fort mit uns schwachen Menschen, so wie Jesus Sünder um sich gesammelt hat. Der Heilige Geist und wir bedeutet: Der Geist Gottes, der Geist Jesu heiligt uns. Er wählt uns aus zu seinem Werk, er weiht uns zu seinem Dienst. Er wirkt durch diese Weihe in uns und durch uns seine Werke, die Werke Jesu der Heilung und Befreiung, der Stärkung und der Tröstung. Dies beinhaltet das Bekenntnis: „Ich glaube an den Heiligen Geist: die heilige katholische Kirche ...“ Ich glaube dieses Wir und der Heilige Geist ; ich glaube, dass der Heilige Geist das Werk Jesu durch die Apostel und die Kirche weiterführt und vollendet.

Zu diesem Wirken gehört „die Gemeinschaft der Heiligen“ – sanctorum communio . Das bedeutet ein Zweifaches: com-munio heißt Teilhabe. Die sanctorum communio ist zuerst die Teilhabe an „heiligen Gütern“, an dem, was heilig ist und heilig macht. Das sind die heiligen Schriften, die heiligen Sakramente, die heilige Gebete. Dann bedeutet sanctorum communio auch: „die Gemeinschaft mit den Heiligen“, das heißt, mit Menschen, die bereits ganz bei Gott sind, die uns wiederum teilnehmen lassen an ihrem Leben bei Gott und an ihrer Liebe für uns. Zu den „heiligen Gütern“ gehört wesentlich, was uns vom Unheiligen befreit: „die Vergebung der Sünden“. Nach der Auferstehung kam Jesus in die Mitte seiner Jünger, hauchte sie an und sprach: Empfanget den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden nachlasst, dem sind sie nachgelassen ... (Joh 20,22-23). Das bekennen wir im dritten Teil des Credo: dass der Heilige Geist eine Gemeinschaft stiftet, in deren Mitte Jesus kommt, der diesen Geist aussendet und schwachen Menschen die Vollmacht verleiht, Sünden nachzulassen.

 

„ Ich glaube an den Heiligen Geist“ (28)

 

Im lateinischen Text des Credo heißt es nur: et in Spiritum Sanctum – „und an den Heiligen Geist“. Im Deutschen wird die Bekenntnisformel „Ich glaube an“ um des besseren Verständnis willen wiederholt. Aber es hat auch einen Sinn, dass Credo – „Ich glaube“ ganz am Anfang steht und damit alles umfasst. Drei Mal verbindet sich Credo mit in : 1) „Ich glaube an Gott“ – in Deum ; 2) „und an Jesus Christus“ – in Jesum Christum ; 3) „und an den Heiligen Geist“ – et in Spiritum Sanctum . Der eine Glaube bezieht sich auf den Einen Gott in Drei Personen: Ein Herr, ein Glaube , wie es im Epheserbrief heißt (Eph 4,5). Und nur auf die Drei göttlichen Personen bezieht sich Credo in – „Ich glaube an“, nicht auf die Glaubensinhalte. „Ich glaube an“ – Credo in drückt eine vollkommene Hingabe an Gott aus, ein Sich-Hineinwerfen in Gott.

Eben dieses eine Credo in bekennen wir auch vom Heiligen Geist. Vielleicht ist uns dieser „Glaube an“, die vollkommene Hingabe an den Heiligen Geist nicht so bewusst wie beim Glauben an den Vater und an Jesus Christus. Dies liegt auch daran, dass der Heilige Geist die verborgenste göttliche Person ist. Ein menschliches und damit vorstellbares Antlitz trägt nur der Sohn, Jesus Christus. Und weil dieser sagt: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Joh 14,9), können wir uns vom Sohn her – gleichsam auf ihn und durch ihn hindurchschauend – das Antlitz des Vaters Jesu Christi vorstellen, obschon Jesus vom Vater im Verborgenen spricht (Mt 6,6).

Vom Heiligen Geist aber haben wir keine Vorstellung. Die Heilige Schrift spricht davon nur in Bildern, die sogar in einem gewissen Gegensatz zueinander stehen. Schon der Name „Geist“ ist ein Bild. Das hebräische ruach heißt Wind, Hauch, Sturm, ein Bild aus der Schöpfung. Im Johannes-Evangelium spricht Jesus von Strömen lebendigen Wassers, die aus seinem Leib fließen werden. Das sagte er vom Geist ... (Joh 7,38). Lukas beschreibt das Herabkommen des Heiligen Geistes auf die Jüngergemeinde mit einem Sturmwind, der Zungen gleichsam wie Feuer sich auf die Betenden verteilen lässt (Apg 2,3). Das geläufigste und zugleich missverständlichste Bild für den Heiligen Geist wird uns in Bericht von der Taufe Jesu gegeben: Da öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist stieg in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herab (Lk 3,22). Es heißt betont „ wie eine Taube“, nicht „als Taube“. Dabei bezieht sich dieses „wie eine Taube“ nicht auf das „sichtbare Aussehen“ des Heiligen Geistes, sondern auf die Art des sanft schwebenden Herabsteigens. Und doch wurde etwas sinnenhaft wahrgenommen, das „leibliches Aussehen“ ( corporalis species ) hatte, so wie es auch die Feuerzungen hatten.

Aber der Heilige Geist ist weder Wind noch Wasser noch Feuer und schon gar keine Taube. Das alles sind nur ferne Bilder, zu denen wir niemals sagen können: „Ich glaube an“ dieses Wasser, diesen Wind, dieses Feuer und diese Taube. „Ich glaube an“ können wir nur zu einer Person sagen, zu Gott selbst in der Person des Heiligen Geistes. Das einzige Mal, wo in der Schrift der Heilige Geist wirklich als Person vorgestellt wird, ist in den Abschiedsreden Jesu im Johannes-Evangelium, in den sieben sogenannten „Paraklet-Sprüchen“. Jesus führt die Person des Heiligen Geistes ein mit den Worten: Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben (Joh 14,16).

Allein der Zusammenhang ist aufschlussreich. Jesus bittet den Vater um den anderen Beistand. Damit sind schon die drei göttlichen Personen genannt: Jesus, der Vater und der Beistand. Jesus nennt ihn den anderen Beistand – állos parákletos . Das ist eine Personenbezeichnung und zugleich die Bezeichnung einer Aufgabe. Er ist der Andere , das heißt, parallel und gleichrangig neben dem Einen , dem ersten Beistand oder Fürsprecher. Dieser erste Beistand ist Jesus selbst, wie er im Ersten Johannesbrief vorgestellt wird: Wir haben einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten (1 Joh 2,2). Mit der Bezeichnung der andere Beistand rückt Jesus den Heiligen Geist ganz in seine Nähe. Er rückt ihn aber auch ganz in die Nähe des Vaters, der diesen anderen Beistand auf Bitten des Sohnes geben wird. Das ist eine weitere Bezeichnung für den Heiligen Geist, wie wir sie bei Lukas finden: Ich werde euch die Verheißung des Vaters senden (Lk 24,49). Der Heilige Geist ist die Verheißung des Vaters und damit die „Gabe Gottes“ selbst. So hatte Papst Johannes Paul II. einmal formuliert , dass „Gott im Heiligen Geist als Geschenk existiert“ (vgl. Enzyklika „Dominum et vivificantem“ [18. Mai 1986], Nr. 10).


„ Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche“ (29)

 

Das ist ein Satz, mit dem sich viele Christen, auch Katholiken, schwer tun. Versuchen wir zu verstehen, was dieses Bekenntnis bedeutet: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die katholische Kirche“. Warum kommt die katholische Kirche unmittelbar nach dem Heiligen Geist? In der Entfaltung und Auslegung des Credo wurde um jedes Wort und jede Formulierung gerungen. So auch um diese: Wir glauben „ an den Heiligen Geist“ – in Spiritum Sanctum , so wie wir an Gott, den Vater, und an Jesus Christus, seinen Sohn, glauben. Und wir glauben nicht an die heilige katholische Kirche. Wir glauben auch nicht an Maria, sondern wir glauben „ die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen“ mit Maria in der Mitte. Vielleicht hätte man das auch anders formulieren können. Aber nachdem das Credo als Glaubensformel verbindlich in diesem Wortlaut festgelegt worden ist, sind wir an diese Formulierung gebunden. Auch das gehört bereits zum Bekenntnis: „Ich glaube die heilige Kirche“, nämlich sich an das zu halten, was die Kirche hier im der Glaubensformel gebunden hat.

In der Apostelgeschichte gibt es im Mund der Apostel die Formel: Wir und der Heilige Geist (vgl. Apg 5,32), oder in umgekehrte Reihenfolge: Der Heilige Geist und wir (Apg 15,28). So heißt es beim ersten Apostelkonzil im ersten Dekret der Kirche, bevor es überhaupt noch ein Neues Testament gab. Bei diesem Konzil wurde beschlossen, dass von den „Heiden“, das heißt, von den Nicht-Juden, keine Beschneidung und keine Speisevorschriften verlangt werden. Damit wurde auf zwei, bis heute ganz wesentliche Elemente des Judentums, verzichtet: Es erschien nämlich dem Heiligen Geist und uns ..., sagen die Apostel (Apg 15,28). Dadurch wurde die Kirche erst übernational und international, das bedeutet, sie wurde im wahren Sinn „katholisch“, kat'hólos , den ganzen Erdkreis umfassend, ohne auf Nation und Kultur der Gläubigen zu achten.

„Ich glaube die heilige katholische Kirche“ heißt also, dass ich diesem Wir und der Heilige Geist der Apostel traue und glaube, welches bewirkt, dass die Gemeinschaft der Gläubigen universal und katholisch wird. Nicht die natürliche und kultische Zugehörigkeit zum auserwählten Volk heiligt, sondern die Zugehörigkeit zu Christus im Heiligen Geist. Der Heilige Geist selbst, in dem wir rufen: Jesus Christus ist Herr (1 Kor 12,3), heiligt jene, die dieses Bekenntnis aussprechen. Darin besteht „die heilige katholische Kirche“. Wenn Petrus und die anderen Apostel sagen: Wir und der Heilige Geist , dann ist das nicht Anmaßung, sondern das Bekenntnis: Wir, die Apostel, die Versammlung ( ek-klesía = Kirche) derer, die an Christus glauben, wir sind nichts ohne den Heiligen Geist. Das „Wir“ der Kirche gibt es erst durch die Sendung des Heiligen Geistes, den Jesus als Beistand und Geist der Wahrheit verheißen hat (vgl. Joh 14,16.17). Dieser hat die bleibende Aufgabe, die Gemeinschaft der Glaubenden ständig und tiefer in die Wahrheit hineinzuführen und diese für die jeweiligen Bedürfnisse auszulegen (vgl. Joh 16,13). So heißt es in den sieben Briefen an die sieben Kirchen in der Apokalypse jeweils: Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden (= Kirchen) sagt (Offb 2,7.11.17.29; 3,6.13.22).

Die Kirche heißt „heilige Kirche“, insofern sie in diesem lebendigen Dialog mit dem Heiligen Geist steht, und in dem Maß, in dem s ie Ohren hat und hört, was der Geist der Kirche sagt . Deshalb sehen wir die heilige Kirche besonders in einer konkreten Person als ihrem Urbild verwirklicht, nämlich in Maria, weil wir sie als die Hörerin und Empfängerin des Wortes erkennen. Sie hat das Wort Gottes nicht nur gehört, sondern in ihrem Leib empfangen durch den Heiligen Geist. Der hl. Franziskus sagt deshalb in seinem „Gruß an die Gottesmutter“: quae es virgo ecclesia facta – „die du (als) Jungfrau zur Kirche gemacht worden bist, die er, der Vater, geweiht hat mit seinem geliebten Sohn und dem Heiligen Geist, dem Tröster“ ( Franziskus-Quellen , 33). Dies ist „die heilige katholische Kirche“: sie besteht in einer einzelnen Person in ihrem Ursprung und in einer universalen (katholischen) Gemeinschaft von Personen in ihrer Entfaltung. Und doch ist diese universale, katholische, weltumspannende Gemeinschaft von Personen eine Einheit im existentiellen Hören auf das, was der Geist den Kirchen sagt : im Hören und Empfangen des Wortes Gottes, an das der Heilige Geist uns ständig erinnert und in dessen unergründliche Wahrheit er uns fortschreitend hineinführt. Im Hören auf das Wort ist die Kirche bewahrend, das heißt: konservativ. Im Hineingeführtwerden in die ganze Wahrheit ist die Kirche fortschreitend, das heißt: progressiv – bis hin zur Wiederkunft Christi.

 

 

„ Ich glaube die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen“ (30)

 

Zu unserem Glauben dessen, was die heilige katholische Kirche ist, gehört das Bekenntnis: „Ich glaube die Gemeinschaft der Heiligen“ – credo sanctorum communionem . Der Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“ ist ein anderer Name für die Kirche, so dass unser Bekenntnis lautet: „Ich glaube die heilige katholische Kirche, [und zwar als] Gemeinschaft der Heiligen“. Die beiden Begriffe sind bereits verbunden durch das Wort „heilig“: die heilige Kirche ist die Gemeinschaft der Heiligen . Auch „Kirche“ und „Gemeinschaft“ haben eine ähnliche Bedeutung. „Kirche“ heißt im lateinischen Urtext des Credo ecclesia , abgeleitet vom Griechischen ek-klesía , die „(her)ausgerufene Versammlung“. Hingegen heißt „Gemeinschaft“ lateinisch com-munio , die gemeinsame Teilhabe und Teilnahme an einer munus , das heißt, an einer Gabe und Aufgabe. Kirche und Gemeinschaft, ecclesia und communio , sind in gewisser Hinsicht austauschbare Begriffe.

Mit dem Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“ bekennen wir uns also zur Kirche als Gemeinschaft, als communio . Ein Einzelner kann nicht Kirche sein. Aber die Kirche ist auch nicht irgendeine Gemeinschaft oder Versammlung, sondern sie ist com-munio : gemeinsame Teilhabe und Teilnahme an etwas, was die einzelnen Glieder überschreitet und zugleich wesentlich verbindet. Wenn aber die Kirche sanctorum communio , Gemeinschaft der Heiligen ist, bedeutet das, dass wir Heilige sind oder sein müssen, um Kirche zu sein? Nun, die erste und ursprüngliche Bedeutung von „Gemeinschaft der Heiligen“ (sanctorum) ist nicht Gesellschaft von heiligen Personen, sondern Gemeinschaft von heiligen Institutionen, das heißt, von heiligen und heiligenden Einrichtungen und „Dingen“. Die communio bedeutet die gemeinsame Teilhabe an heiligen Geheimnissen.

Was sind diese heiligen Geheimnisse und Einrichtungen? Es handelt sich um eine Vielzahl, die aber alle auf Eines zusammenlaufen. Zu den heiligen Geheimnissen oder Gaben gehört zuerst unser gemeinsamer Glaube selbst, eben dieser Glaube, den wir hier im Credo bekennen. Wie in der frühen Kirche so wird auch heute noch bei der Vorbereitung der Erwachsenentaufe dem Taufbewerber feierlich das Credo und das Vaterunser übergeben: der gemeinsame Glaube und das gemeinsame Gebet. In der Apostelgeschichte wird uns die communio sanctorum in einer viergliedrigen Formel dargestellt: Sie verharrten in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und in den Gebeten (Apg 2,42). Diese vier Elemente, Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen und Gebete, sind wie vier Säulen oder Mauern des Hauses der Kirche, die gemeinsame Teilhabe an heiligen Geheimnissen.

Dier erste Säule ist die Lehre der Apostel . Zu dieser Lehre gehört alles, was die Apostel uns lehren in Wort und Beispiel, in mündlicher und schriftlicher Überlieferung. So besteht die Lehre der Apostel zuerst in ihrer mündlichen Predigt, die dann teilweise aufgezeichnet und zum Schriftenbündel des Neuen Testaments wird. Die Apostel selbst aber übernehmen die heiligen Schriften des Alten Testaments und legen sie von Christus her, wie er selbst sie ausgelegt hat, wiederum auf ihn aus. Die Lehre der Apostel besteht also in den heiligen Überlieferungen und in den heiligen Schriften zusammen.

Die zweite Säule ist die Gemeinschaft , die koinonía , das wesentliche Zusammengehören in einem Gottesvolk, in einer Glaubensgemeinschaft, die vom Heiligen Geist gebildet ist. Diese Gemeinschaft ist nicht in erster Linie eine Organisation, sondern ein Organismus. Der hl. Paulus wird sogar von einem Leib sprechen, dessen Haupt Christus ist und dessen Glieder wir selbst sind (vgl. 1 Kor 12,12.27). Daraus entwickelt sich später die Lehre vom mystischen Leib Christi.

Die dritte Säule ist das Brotbrechen , die heilige Institution des Letzten Abendmahles oder der Eucharistie, die heilige Kommunion und damit zusammenhängend alle Sakramente.

Die vierte Säule sind die Gebete : das Gebet des Herrn, das Vaterunser, aber auch die ganze Art und Weise der Kirche zu beten: das Gebet Israels, die Psalmen, und die Liturgie der Kirche, die sich aus dem jüdischen Gottesdienst immer selbstständiger entwickelt. All das ist die sanctorum communio , die Gemeinschaft an heiligen Institutionen, die uns gleichzeitig mit heiligen Personen verbinden.

 

 

„ Ich glaube die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden“ (31)

 

An den Glauben der „Gemeinschaft der Heiligen“ schließt sich der Glaube der „Vergebung der Sünden“ an. Diese ist nicht ein Anhängsel oder ein weiteres Glaubensgeheimnis neben dem ersten, sondern gehört zum Inhalt der „Gemeinschaft der Heiligen“. Die communio sanctorum ist nämlich in erster Linie die gemeinsame Teilhabe an den heiligen Geheimnissen und Einrichtungen. Von diesen heiligen Einrichtungen wird als erste die „Vergebung der Sünden“ genannt. Dieses Glaubensgeheimnis ist zunächst ganz allgemein und universal zu sehen. Es geht darum, zu glauben, dass es überhaupt eine Vergebung gibt. Das ist alles andere als selbstverständlich. Vergebung ist nämlich nicht logisch. Logisch konsequent ist die Vergeltung. Denn die Vergeltung ist der Ausgleich. Aug um Aug und Zahn um Zahn (vgl. Mt 5,38), bis hin zur Blutrache (vgl. Gen 4,24). Logisch ist die Rache. Vergebung hingegen ist ein Geheimnis. Eben dieses bekennen und glauben wir als ein Hauptgeheimnis der communio sanctorum . Weil die Vergebung der Sünden zu dieser com-munio gehört, heißt das auch, dass wir daran teilnehmen und dass wir in sie hineingenommen sind. Wir dürfen teilnehmen am heilenden Geheimnis der Vergebung der Sünden. Wir sind in dieses Geheimnis, in diese Einrichtung passiv und aktiv eingebunden.

Diese aktive und passive Teilnahme an der Vergebung der Sünden drückt Jesus aus in der Vaterunserbitte: Vergib und unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern (Mt 6,12). Dann folgt der wichtige Nachsatz: Denn wenn ihr den Menschen nicht vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch nicht vergeben (Mt 6,15). Die Vergebung der Sünden ist letztlich nicht möglich ohne uns, ohne unser Mitwirken, welches wenigstens darin bestehen muss, dass wir die angebotene Vergebung überhaupt annehmen. Wenn ich nämlich sage: „Ich brauche keine Vergebung. Gott hat mir nichts zu vergeben, und deshalb will ich keine Vergebung“, dann gibt es auch keine Vergebung. Von daher müssen wir die unvergebbare „Sünde gegen den Heiligen Geist“ zu verstehen suchen (vgl. Mk 3,29; Lk 12,10). Diese Sünde kann nicht vergeben werden, weil ich Gott bewusst und aktiv daran hindere, mir zu vergeben.

Wenn ich aber mit dem Credo bekenne: „Ich glaube die Vergebung der Sünden“, dann habe ich bereits grundsätzlich die Vergebung für mich und für andere angenommen. Das Bekenntnis: „Ich glaube die Vergebung der Sünden“, bezieht sich jedoch nicht auf eine reine Sache, sondern auf Gott selbst, der allein Sünden vergeben kann (vgl. Mk 2,7). Mit diesem Bekenntnis drücken wir unseren Glauben an die Barmherzigkeit Gottes aus. Wir könnten stattdessen auch sagen: „Ich glaube an einen barmherzigen Gott“, und: „Ich glaube, dass ich an diesem Geheimnis seiner Barmherzigkeit teilhabe, indem ich diese für mich empfange und anderen weiterschenke“.

Das ist also ein zentrales und wesentliches Glaubensgeheimnis. Es scheint einfach und selbstverständlich zu sein. Aber ein Mensch kann in die Situation geraten, wo er sich sagt: „Mir kann niemand mehr vergeben“. Dies hat seinen Grund vielleicht darin, dass dieser Mensch sich selbst nicht vergibt, weil er sich selbst richten will. Der Glaubenssatz: Credo remissionem peccatorum – „Ich glaube die Vergebung der Sünden“, kann in solch einem Fall lebenswichtig und lebensrettend werden.

Dieses Bekenntnis ist aber auch wichtig für alle kleineren und alltäglichen Nöte und Vergehen, die Schuld erzeugen. Im Konkreten bekennen wir damit unseren Glauben an alles, was Gott je getan hat und noch tut, um Sünde zu vergeben. Vor allem ist es der Glaube, an das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29), der Glaube an die sündentilgende Hingabe des Sohnes Gottes, der Glaube an die Erlösung durch Jesus Christus schlechthin. Die Vergebung der Sünden und damit die Erlösung aus den Folgen der Sünde, nämlich dem Tod, ist die Frucht des gesamten Erlösungswerkes Christi. Dieses besteht in seiner Menschwerdung, seinem heilenden und vergebenden Tun, der Einsetzung der Eucharistie: Das ist mein Leib ... mein Blut zur Vergebung der Sünden (vgl. Mt 26,26.28), seiner Hingabe am Kreuz: Vater vergib ihnen (Lk 23,34) und im Frieden des Auferstandenen, der seinen Jüngern Vollmacht und Auftrag gibt: Wem ihr die Sünden nachlasst, dem sind sie nachgelassen (Joh 20,23): dies alles beinhaltet das Bekenntnis des Glaubens an die Vergebung der Sünden.

 

 

„ Ich glaube die Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ (32)

 

Nach der „Vergebung der Sünden“ bekennen wir die „Auferstehung der Toten“. Wir bekennen diese im Credo nicht einfach nach der Vergebung der Sünden, sozusagen in loser Reihenfolge und ohne näheren Zusammenhang. Alles im Credo hängt zusammen wie die Fäden eines Netzes. Zur Vergebung oder zum Nachlass (remissio) gehört nämlich auch die Befreiung von den Folgen der Sünden. Der Lohn der Sünde ist der Tod , lehrt der hl. Paulus (Röm 6,23). Das mag erschreckend klingen. Aber zum Wesen der Sünde gehört es, dass sie zum Tod führt wie eine tödliche Krankheit. Fast jede Krankheit kann zum Tod führen, wenn nichts gegen sie unternommen wird. Wenn du davon isst, wirst du sterben , hatte Gott dem Menschen im Paradies gesagt (Gen 2,17). Das ist weder eine Drohung noch eine Strafe, sondern die Warnung, nicht das zu tun, was von sich aus zum sicheren Tod führt. Die Frucht der Sünde ist der Tod , – zwar nicht jeder einzelnen Sünde, in die wir aus Schwäche fallen und die wir bereuen und bekennen, aber die Sünde der Welt (Joh 1,29) als Ganze führt in die Krankheit zum Tode (vgl. Joh 11,4). Die Todverfallenheit des Menschen und der Welt ist Frucht und Folge der Sünde.

Wir glauben aber die Vergebung der Sünden ganz allgemein und ganz persönlich. Wir glauben, dass Jesus durch seine Menschwerdung, seinen Tod am Kreuz und durch seine Auferstehung die Sünde der Welt auf sich genommen und so von uns weggenommen hat. Damit hat er auch den Stachel des Todes (vgl. 1 Kor 15,56) gebrochen. Der leibliche Tod ist damit nicht abgeschafft, sondern überwunden. Die Tore der Unterwelt, des Reiches des Todes, in das Jesus hinabgestiegen ist, sind zur Tür des Lebens geworden. Somit gehören die Sätzte: „Ich glaube die Vergebung der Sünden“ und: „Ich glaube die Auferstehung der Toten“ engstens zusammen. Das eine geht aus dem anderen hervor. Die Auferstehung der Toten ist die Frucht der Vergebung der Sünden, so wie der Tod selbst die Frucht der Sünde war. Damit ist auch jede persönliche Vergebung der Sünden, die wir kraft des Todes und der Auferstehung Jesu empfangen, die wir besonders in der sakramentalen Lossprechung im Zeichen des Kreuzes erhalten, ein Zugehen auf und Hineinschreiten in die Auferstehung der Toten.

Da ist noch etwas zum Wortlaut dieses Bekenntnisses anzumerken. Während es im großen Glaubensbekenntnis tatsächlich heißt: „Wir erwarten die Auferstehung der Toten“ (resurrectionem mortuorum) , lautet das Bekenntnis im apostolischen Credo: carnis resurrectionem – „Auferstehung des Fleisches“. Natürlich ist beide Male dasselbe gemeint. Aber die „Auferstehung des Fleisches“ drückt noch einmal die Konkretheit und Ganzheit der Auferstehung aus. Zugleich ist dieses Bekenntnis das unterscheidend Christliche. Es ist nicht leicht zu verstehen, dass unser Fleisch, d.h. unsere leibhaftige, zerbrechliche Menschennatur als Ganze in das ewige Leben hinübergenommen wird, wo wir doch zusehen können, wie schon jetzt, da wir noch in dieser Welt leben, unser Fleisch durch Krankheit und Alter langsam sich verbraucht und zugrunde geht, um dann im Tod ganz zu verwesen.

Der hl. Paulus hilft uns da mit einem Bild: Gesät wird in Unansehnlichkeit, auferweckt in Herrlichkeit (1 Kor 15,43). Das irdische Fleisch ist wie eine Samenkorn, das in die Erde fällt und stirbt (vgl. Joh 12,24). Und im Sterben schon selbst erwächst aus ihm das volle Korn des neuen, auferweckten Leibes. Freilich, das ist ein Bild, das wir nicht unbegrenzt anwenden können. Die Wirklichkeit wird uns aber gezeigt im Fleisch Jesu, der seinen Jüngern nach seiner Auferstehung seine Hände und seine Seite zu betasten gibt. Er zeigt ihnen sogar seine Wunden, um damit zu beweisen: Ich bin es selbst , kein Geist, sondern Fleisch und Blut (vgl. Lk 24,39). Er isst auch mit ihnen, um die Wirklichkeit seiner leiblichen Existenz zu demonstrieren (Lk 24,41-43).

Dennoch: auch das ist nicht vollständig auf unsere Auferstehung des Fleisches anzuwenden, weil der Leib Jesu ja nicht verwest ist. So gleicht das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches dem Bekenntnis zur Schöpfung am Anfang, die eine Schöpfung aus dem Nichts ist. Die Auferstehung des Fleisches ist Neuschöpfung, nicht aus dem Nichts, sondern aus dem Tod (des Fleisches). Aber die resurrectio carnis ist ein Schöpfungsakt, die letzte und große Schöpfungstat Gottes, mit der alles vollendet werden wird. So kehren wir wie im Kreis wieder zum Anfang des Credo zurück: „Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde“, und ich glaube „die Auferstehung des Fleisches“ und darin „das ewige Leben. Amen“

 

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